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Artikelserie “Tabuthema Tod”

Meine Leber kommt nicht in den Himmel

Gepostet von am Jul 23, 2012 in Allgemein, Artikelserie, Interviews, Wissen | Keine Kommentare

Meine Leber kommt nicht in den Himmel

“Ich bin froh, dass es dich gibt. Weil ich starb, durftest du leben. Mein Tod war nicht ganz sinnlos.” Würdest du deine Organe nach deinem Tod für andere Menschen zur Verfügung stellen?  Eine Frage, mit der sich jeder Mensch beschäftigen sollte – auch Du! Vielleicht helfen dir die Denkansätze dieses Gesprächs, das wir mit der 40-jährigen Lebendspenderin Sabine Hungerland über ihre packende Geschichte und die moralischen Fragen geführt haben, mit denen sie sich auseinandersetzen musste. Wie kam es dazu, dass du deinem Bruder einen Teil deiner Leber gespendet hast? Bei einem Motorradunfall 1996 erlitt er schwere Verletzungen an der Leber, sodass er drei Jahre später ein neues Organ benötigte. Allerdings hatte er die seltene Blutgruppe A1 negativ, die nur 3% der Bevölkerung teilen. Hinzu kam, dass wir natürlich das bestmögliche Organ für ihn bekommen wollten. So entschlossen wir uns schließlich zu einer Lebendspende, denn laut Erfahrungsberichten hält sie durchschnittlich länger als eine Leichenspende. Du warst die Lebendspenderin. Richtig. Meine Schwester hatte sich auch untersuchen lassen, aber ich war aufgrund meiner Blutgruppe besser geeignet. Als ich mich gemeldet hatte, wurden eine Reihe psychologischer Tests durchgeführt, ob ich nicht beispielsweise durch Bestechung unter Druck stünde. Hattest du denn gar keine Sorgen um deine eigene Gesundheit? Die Transplantation barg ein höheres Risiko für mich als für meinen Bruder. Wir waren das 13. Paar, das transplantiert wurde. Es gab also noch kaum Erfahrungswerte. Der operierende Arzt hatte die Transplantationsmethode aus Chicago mit nach Deutschland gebracht. Als ich mich dafür entschied, habe ich gar nicht an mich selbst gedacht. Marcus zählte. Die Ärzte beteuerten, dass er ohne ein neues Organ keine drei Monate mehr zu leben hätte. Aber mein Bruder selbst hatte Angst um mich. Er wollte die Lebendspende nicht. Ich sagte ihm, dass ich mit dem Gedanken, ohne ihn leben zu müssen, nicht leben könne, wenn ich in der Lage war, seinen Tod zu verhindern. Aus Trotz drohte ich ihm an, in das zuständige Klinikum nach Essen zu gehen und einem anderen Menschen meine Leber zu spenden. Schließlich sah er sich gezwungen, mein Entscheidung – und meine Leber – zu akzeptieren. Ich hatte so viel Hoffnung, dass mir die Angst, mir könne bei dem Eingriff etwas passieren, gar nicht in den Sinn kam. Ich habe auch schon davon gehört, dass dieses „richtige Denken“ Berge versetzen kann. Bloß ist es nicht ganz leicht, sich selbst zweifelsfrei zu programmieren. Dann darf man nämlich nicht denken, ich will nicht, dass es regnet, sondern muss einem automatisch immer nur der Wunsch vorschweben, dass die Sonne scheint. Man soll in Gedanken keine Ängste und Zweifel, sondern Anliegen und Wünsche formulieren. Genau. Ich bin der Meinung, dass Seele und Körper unmittelbar zusammenhängen. Ein positives Lebensgefühl hat geradlinigen Einfluss auf die Gesundheit. Wer keine Hoffnung hat, kann auch nicht genesen. Bei der Transplantation stellte sich heraus, dass ich allergisch auf Narkosemittel bin. Ich lag in stoischer Ruhe auf dem OP-Tisch, obgleich ich wusste, dass mir eine sehr hohe Dosis gespritzt worden war und dadurch die Möglichkeit bestand, dass ich nicht aufwachen würde. Aber ich wachte auf. Schon während der OP. Dabei spürte ich keinen Schmerz, bloß war ich wieder bei Bewusstsein. Mein Zustand wäre vergleichbar mit dem Stadium, wenn man betrunken ist und sich nicht mehr richtig artikulieren kann. Ich konnte vernehmen, wie der Arzt, der mir das Organ entnommen...

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Jenseits der Gewissheit

Gepostet von am Apr 12, 2012 in Allgemein, Artikelserie, Nachgedacht | Keine Kommentare

Jenseits der Gewissheit

Vor fünf Jahren schied Hans mit 71 aus dem Leben. Endlich hat Peters Infarkt die langjährigen Kumpanen wieder vereint. Nun sitzen ihre beiden Seelen, augenscheinlich Dunstschwaden, im Himmel beisammen und spielen lauthals über den Nachbarn diffamierend Schach – ganz wie zu Lebzeiten. Lenkt man seine Aufmerksamkeit in den nächsten von Nebelwänden umzäunten Raum, könnte man die Geschehnisse dort zunächst für ein Naturschauspiel halten: Zwei verschiedenartige Dünste umschleiern sich in wundersamster Weise. Sie bilden immer neue, immer sinnlichere Formen und ganz allmählich ändern sich auch ihre Färbungen. Man mag meinen, dass diese sentimentale Darbietung eine Geschichte erzählen soll: die Geschichte zweier Liebender, die den Tod überwunden und endlich wieder zueinander gefunden haben. Woanders lässt eine Tochter ihre gerührte Mutter an all dem teilhaben, was sie durch ihren frühen Tod verpasst hat. Mithilfe von Telepathie darf diese nachempfinden, wie ihr Enkelkind eingeschult wird, das Elternhaus verlässt und schließlich eine eigene Familie gründet. Spricht etwas dagegen, sich das Leben „im Himmel“ so oder so ähnlich vorzustellen? Mit jeder Seele als kleines Wölkchen? Im unendlichen Raum als Paradies? Das Paradies als Wartezimmer und gleichzeitig Zielort, letzte Etappe, als Aufenthalts-/Lebensraum für sich, seine Lieben und all die anderen Seelen, die ihren Körper verlassen haben? Viele Hinterbliebene klammern sich an die Hoffnung, den verlorenen Menschen irgendwo – sei es in ebendiesem Himmel – einmal wiederzutreffen. Diese Aussicht ist in manchem Falle sogar das einzige, was sie am Leben erhält oder zumindest dazu bewegt, ihr Leben weiterzuführen, selbst wenn die Existenz eines Daseins nach dem Tod nicht wissenschaftlich belegt ist und damit für uns als reine Vision Bestand hat. Das Jenseits ist unerforscht und liegt damit vollkommen im Ungewissen. Zwar gibt es eine Reihe an Erfahrungsberichten von Menschen, die Nahtoderfahrungen gemacht haben, doch sagen diese Berichte nur etwas darüber aus, was verschiedene Menschen auf dem Weg an den Ort, an dem sie ihren „Tod verbringen“ werden, erleben oder empfinden, nichts aber über die tatsächliche letzte Station oder darüber, ob es sie überhaupt gibt und ob alle Seelen sie erreichen Zu den häufigsten Kennzeichen einer Nahtoderfahrung zählen verschiedenste Lichtvisionen, häufig auch am Ende eines Tunnels, eine Beobachtung des eigenen Körpers aus anderer Perspektive (meist aus dem Schwebezustand), Filmabrisse verschiedener Lebenssituationen und eine Begegnung mit bereits verstorbenen Verwandten. Diese Erlebnisse werden von unsäglichen Glücksgefühlen und Enttäuschung über die Rückkehr in den eigenen Körper begleitet. Sie ereignen sich oft beim Herzstillstand, seltener auch ganz spontan oder im Traum. Das Phänomen der Nahtoderfahrung belegen zwar schon älteste Quellen wie der Gilgamesch-Epos, und auch beschäftigt sich die Hirn- und die Sterbeforschung bereits mit diesem Hintergrund, doch ist eine Interpretation naturgemäß umstritten. Sie reicht von esoterischem Fanatismus über eine kritische Abwägung von religiösen Glaubensvorstellungen bis hin zur vollständigen Ablehnung. Doch hat darüber hinaus auch niemand das Vakuum der letzten Dimension bisher betreten und ist im Anschluss zu den Lebenden zurückgekehrt, sodass wir selbst von Nahtoderfahrungen nicht herleiten können, was uns nach dem Tod erwartet. Wir wissen es nicht, doch viele von uns haben eine Idee davon oder schließen sich einer religiösen Glaubensvorstellung an. Im Folgenden könnt ihr euch ein Bild davon verschaffen, was die Weltreligionen über das Leben nach dem Tod zu sagen haben, woran wir glauben sollen. Auf der nächsten Seite: Das Jenseits im Christentum – von Himmelsfreuden und Höllenqualen Christen glauben an die Auferstehung, bei der unser Körper eine neue,...

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Der Tod gehört zum (Berufs)-leben

Gepostet von am Mrz 31, 2012 in Allgemein, Artikelserie, Nachgedacht | 1 Kommentar

Der Tod gehört zum (Berufs)-leben

Wie ergeht es Menschen, die aus beruflichen Gründen oft mit dem Tod konfrontiert werden? Dieter Elbers ist Leiter der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege in Cloppenburg. Er berichtet uns von seinem ersten einschneidenden Erlebnis in seinem ersten Ausbildungsjahr mit dem Tod und dem Sterben. “Ich kann mich noch sehr gut an eine Situation erinnern, wo ich das erste Mal einen Sterbefall erlebt habe. Es war an einem Sonntagmorgen – das weiß ich noch ziemlich genau, obwohl es schon länger her ist. Dieser Sterbefall war ein älterer Herr, der sehr krank war und schon seit Tagen im Sterben lag. Er hatte die üblichen Sterbephasen schon durchlaufen, es ging ihm zunehmend schlechter, allerdings war er zwischendurch immer wieder mal ansprechbar und das so, dass ich mich mit ihm unterhalten konnte. An diesem Morgen wurde ich von den Stationsschwestern zugeteilt, um ihnen bei der Morgenpflege zu helfen, indem ich Herrn B. wusch. Also holte ich Wasser und wusch nacheinander sein Gesicht, seine Arme und seinen Oberkörper. Dabei haben wir uns auch unterhalten, aber er ist immer wieder eingeschlafen oder weggenickt. Dann gab es eine plötzlich Situation wo seine Atmung kompliziert wurde und er eine Schnappatmung bekam, Ich konnte die Situation noch nicht so richtig einschätzen. Es war kein weiterer Patient mit im Zimmer, ich war also allein. Als ich weitermachen und ihm die Haare kämmen wollte, nahm ich ihn in den Arm, sein Kopf fiel zur Seite und er hat erbrochen. In diesem Moment hat er ganz tief eingeatmet und er ist gestorben. Das habe ich so zunächst gar nicht realisiert. Ich bin dann aber raus gelaufen und habe ganz laut „Hanna“ gerufen, sie war die Schwester, mit der ich Dienst hatte. Als sie kam, hat sie mir erklärt, dass Herr B. gestorben war. Im ersten Moment war ich in einer Schockphase, doch gleich danach musste es auch weitergehen und Hanna hat mir erklärt, was ich zu tun habe. Wir haben als erstes das Erbrochene weggemacht und ihn dann ins Bett gelegt. Hanna erklärte mir, dass sie nun die Angehörigen anrufen müsse. Diese wussten auch, dass er Herr B schwer krank war und dass es zu Ende gehen würde, doch niemand hätte damit gerechnet, dass es an diesem Morgen passiert. Schwester Hanna erzählte mir warum es so abgelaufen war, das es nichts mit meiner Arbeit zu tun hatte und mich keine Schuld traf. Das war sehr gut, denn im ersten Moment hatte ich natürlich gedacht: „Hey, was habe ich falsch gemacht?“ Wir blieben die ganze Zeit über im Zimmer. Herr B. war katholisch, deshalb haben wir nach den Ritualen der katholischen Kirche und der Glaubenslehre einen kleinen Altar und ein kleines Kreuz im Zimmer aufgebaut. Wir falteten seine Hände und legten einen kleinen Rosenkranz dort hinein. Sowohl als wir noch alleine mit Herrn B. waren, als auch mit den Angehörigen später sprachen wir ein Gebet. Im ersten Moment waren diese natürlich sehr traurig und haben geweint. In diesem Augenblick war ich ein bisschen hilflos, da ich so eine Situation überhaupt nicht kannte und zog mich in eine Ecke des Raumes zurück. Schwester Hanna hat routiniert und ganz souverän den Angehörigen erklärt wie Herr B gestorben ist und, dass ich dabei war. Ich erzählte ihnen noch einmal, wie genau er gestorben ist. Für sie war dies auch alles soweit in Ordnung. Wir haben...

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Den Tod nicht totschweigen

Gepostet von am Mrz 26, 2012 in Allgemein, Artikelserie, Interviews, Nachgedacht | Keine Kommentare

Den Tod nicht totschweigen

In der Vorbereitung auf dieses Interview konnten wir selber spüren, wie sehr das Thema Tod ein Tabuthema ist. Wir haben in der Redaktion intensiv darüber diskutiert, ob es Menschen gibt, die über den Verlust eines nahen Verwandten sprechen wollen und welche Fragen man ihnen stellen kann und darf. Ist dieses Thema nicht viel zu privat, sind die Gefühle nicht viel zu intim, um sie in der Öffentlichkeit preiszugeben? Wie schaffen wir es, dass dieses Interview das Thema Tod enttabuisiert und nicht zu einem bloßen Gefühlsvoyeurismus werden lässt? Wir haben uns dazu entschlossen, mit vier Personen ein Gespräch zu führen, um so zeigen zu können, dass es unterschiedliche Wege gibt, mit dem Tod umzugehen. Saskia Ennens, Schülerin im Jahrgang 10 und Reinhard Walter, Lehrer am LSG, verloren beide im vergangenen Jahr ihre Mutter. Alina Buxmann, Schülerin im Jahrgang 9, verlor ihre Großtante, zu der sie ein sehr enges Verhältnis hatte und Lea Salden berichtete uns über den Tod ihrer Uroma. Es wurde ein sehr langes, emotionales und intensives Gespräch, in dem die Gesprächsteilnehmer erzählten, wie sie mit dem Tod umgegangen sind und was sie damals und heute bewegt. Frage: Wie genau habt ihr von dem Todesfall erfahren? Alina: Als meine Großtante, die mir sehr nahe stand, starb, war ich im Zeltlager. Mein Vater hat es mir damals am Telefon erzählt und ich bin auch sofort in Tränen ausgebrochen. Kurz vor dem Griff zum Hörer, hatte ich schon ein flaues Gefühl im Magen. Mir war zwar schon vor der Ferienfreizeit bewusst gewesen, dass es nicht gut um sie stand, doch die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Ich habe versucht den Kummer durch Ablenkung zu verdrängen und bin deshalb im Zeltlager geblieben. Dass ich mich nie richtig von ihr verabschieden konnte, hat immer sehr an mir genagt. Reinhard Walter: Wir wussten seit ein paar Tagen, dass es für meine Mutter keine Hoffnung mehr gibt. Wir versuchten dann, möglichst oft bei ihr zu sein, aber natürlich ging das nicht rund um die Uhr, denn irgendwann muss man essen und schlafen. Am Montagmorgen rief das Krankenhaus an und die Krankenschwester sagte, dass es nun zu Ende gehen würde. Wir sind dann sofort zum Krankenhaus gefahren, aber als wir dort angekommen sind, kam uns die Krankenschwester schon auf dem Flur entgegen. Sie musste in diesem Augenblick gar nichts sagen, ich sah an ihrem Gesicht, dass wir zu spät waren. Lea: Meine Uroma war schon lange im Pflegeheim bevor sie gestorben ist. Irgendwann ist sie aber dann auch ins Krankenhaus gekommen. Ich hab mich jedes Mal, wenn ich sie gesehen hab, so von ihr verabschiedet als wenn es das letzte Mal gewesen ist. Als sie dann wirklich gestorben ist, habe ich mir dann Vorwürfe gemacht, dass ich sie eigentlich öfter hätte besuchen sollen. Doch dann dachte ich wiederum, dass meine Uroma ein schönes und langes Leben gehabt hat, in dem sie viel erlebt hat. Saskia: Wir wussten, dass unsere Mutter schlimm krank war. Kurz vor ihrem Tod war ich in einem Marienhaus, wo ich Betreuerin war. Und dort habe ich dann auch am letzten Tag von einer Schwester vom Tod meiner Mutter erfahren. Frage: Welche Gefühle empfindet man in dem Moment, in dem man realisiert, dass der Mensch, der einem so viel bedeutet hat, tot ist? Saskia: Ich wollte in dem Moment einfach nur allein sein...

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Tabuthema Tod

Gepostet von am Mrz 25, 2012 in Allgemein, Artikelserie, Nachgedacht | Keine Kommentare

Tabuthema Tod

„Lass mich los“, sagte sie. „ich gehe jetzt.“ Wie konnte sie nur derartiges von ihm verlangen? Er liebte sie doch. Ja, er liebte sie. Er konnte sie nicht loslassen. Aber er hatte gewusst, dass sie gehen würde. „Ich…“ Das Sprechen viel ihr von Wort zu Wort schwerer. Sie keuchte auf. „Versprich mir, dass du nicht allein bleibst.“ Er antwortete nicht. „Versprich mir“, Ihre Stimme war kaum mehr ein Flüstern. „dass du wieder jemanden lieben wirst.“ Er schaute ihr in die Augen. „Ich liebe dich. Ich kann niemanden anders lieben.“ Ungeachtet ihrer Qual hielt sie den Blick mit bemerkenswerter Standhaftigkeit auf sein Gesicht gerichtet.. „Du wirst es lernen.“ Diese mühsam hervorgebrachten Worte sollten ihre letzten sein. Jene Szene füllte Nacht für Nacht seine Träume. Seine Träume waren es, die ihm seine geliebte Frau in ihren letzten Augenblicken zeigten. Sie war jung gestorben. Viel zu jung. Einen ihrer Wünsche hatte er ihr erfüllt, der zweite war ihr verwehrt geblieben – und würde es auch immer bleiben. Seine übliche Mittagspause bei einer Tasse Kaffee und der Tageszeitung hatte ihm eine Menge weiblicher Blicke beschert. Er war allein. Er war breitschultrig und hatte volles Haar, in das man seine Finger graben wollte. Er war attraktiv. Ehe er sich versah, war er nicht mehr allein. In seiner Brieftasche hatte Lauras Bild gelegen. Nachdem er ihr den einen ihrer beiden Wünsche erfüllt hatte, war er gezwungen ­gewesen, ihr Bild gegen ein neues einzutauschen. Obgleich das völlig irrelevant war; seine Träume zeigten ihm seine Frau. Nacht für Nacht. Er brauchte kein Bild von ihr mit sich herumzutragen. Sie war auch so immer bei ihm. Das wusste er. Das spürte er. Doch er erlebte es nicht. In jedem Gespräch umschifften seine Mitmenschen das Thema Laura, als wäre diese Frau nie ein Teil seines Lebens gewesen. Als wäre sie kein Teil von ihm. Dabei hatte er niemanden darum gebeten, Laura vor ihm nicht zu erwähnen. Die Konfrontation war vielleicht sogar das einzige, was den Abstand zwischen ihm und seinem Glück verringern konnte. Aber das sollte nicht sein. Das neue Bild zeigte seine derzeitige Partnerin. Er liebte sich nicht. Ab und an begehrte er sie. Aber er liebte sie nicht. Er würde sie nie lieben. Er würde nie jemanden so lieben, wie er Laura geliebt hatte. Er würde ihr ihren zweiten Wunsch nie erfüllen können, egal, wie sehr er sie liebte. Viele Menschen müssen durch den Tod Verluste erleiden. Manche hoffen den geliebten Menschen, der nicht mehr unter den Lebenden weilt, einmal wiederzutreffen, im Himmel oder in einem anderen Leben. Andere sind froh, ihn von seinen Leiden, die er unter Umständen ertragen hatte, erlöst zu wissen. „Bei Gott ist er geborgen, ihm kann nichts mehr passieren.“ “Hatte er womöglich einen letzten Wunsch, den man ihm erfüllen sollte?” Die Begegnung mit dem Tod ist auch eine Begegnung mit Fragen, die sich viele von uns vorher nie gestellt haben. Einige Menschen verfallen jedoch aus Kummer um ihre Einbuße in tiefe Depressionen und wissen nichts mehr mit sich anzufangen. Sie sehen keine Möglichkeit, mit der Leere in ihrem Inneren umzugehen. Diese Fallbeispiele verdeutlichen, dass es viele Varianten gibt, mit dem Tod zu verkehren. Eine weitere weit verbreitete Umgehensweise beispielsweise ist die Tabuisierung. Einerseits können oder wollen manche nicht über ihren Verlust sprechen. Sie verdrängen ihre Trauer. Hinsichtlich der Menschen um sie herum,...

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