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SOKO Tierschutz – Undercover für die Tiere

Auch in diesem Jahr erschütterten Schlachthofskandale die Verbraucher: Tiere, die geschlagen und misshandelt werden und ohne korrekte Betäubung ausbluten. Ans Licht der Öffentlichkeit kommen diese Missstände in vielen Fällen durch die Arbeit der SOKO-Tierschutz. In einem Interview erzählt uns SOKO-Gründer Friedrich Mülln über seine Arbeit als Undercover-Tierschützer.

laurentinews.de: Ihre Organisation trägt den Namen „SoKo Tierschutz“. Der Begriff SoKo kommt ja eigentlich aus der Polizeisprache und steht für Sonderkommission, die vor allem bei schweren Verbrechen wie Mord eingesetzt wird. Geht es bei ihrer Arbeit hauptsächlich um das Aufdecken schwerer Verbrechen?

Friedrich Mülln (SOKO-Tierschutz): Es handelt sich bei den Taten im Rahmen der Tierausbeutung um schwere Verbrechen, an Tieren, Menschen und der Natur. Rein juristisch sind es auch häufig Straftaten, wobei natürlich bei der „Ware Tier“ sehr unterschiedlich gewichtet wird. Das wollen wir ändern. Unser Schwerpunkt ist die Aufdeckung von Rechtsbrüchen, aber auch die Neudefinition des geltenden Rechts durch Rechtsprechung im Sinne der Tiere,  durch öffentlichen Druck und das beschreiten juristischen Neulands (Käfighaltungsverbot etc). Das ganze fließt in einen ethischen Diskurs ein, der das Verhältnis zwischen Mensch und Tier verbessern soll.

Die Videomaterialien zeigen sehr erschreckende Aufnahmen. Zeigen diese Bilder die alltägliche Realität in deutschen Schlachthöfen oder traurige Einzelfälle?

Die SOKO-Tierschutz wurde 2013 gegründet und ist ein eingetragener Verein. Er finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden.

Wir konzentrieren uns auf systematische Probleme der Branche. Einzelfälle von extremen Sadismus kommen vor, stellen aber keinen wichtigen Bestandteil unserer Arbeit da. Leider sind selbst die schlimmsten Abläufe Alltag in dieser Industrie. Das gilt für Verstümmelungen wie das Enthornen, Kastrieren oder Schnabelkürzen genauso wie für grausame Treibmethoden oder fehleranfälligen Betäubung.

Worin sehen Sie die Ursachen dieser Zustände? Liegt es an einer mangelnden Empathie, vielleicht sogar an einer Form von Sadismus bei manchen Schlachthofangestellten oder liegt es an schlechten Arbeitsbedingungen und einem enormen Zeitdruck?

Es ist eine Mischung aus Verrohung, Überforderung, Ausbeutung und der schnellen erbarmungslosen Abläufe für Mensch und Tier. Zudem spielt geringe Bildung, falschverstandene Tradition und mangelnde Kontrolle eine bedeutende Rolle.

 Erst kürzlich hat der Bundestag für weitere zwei Jahre die betäubungslose Kastration von Ferkeln erlaubt. NRW hat nun das Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände gekippt. Tut die Politik zu wenig zum Schutz vor Tieren?

Ja, unsere Politik wird von den Agrarindustrien massiv beeinflusst, zu großem Nachteil für Erde, Mensch und Tier.

Darum muss die Veränderung von unten, von den VerbraucherInnen kommen. Wir haben das in der Hand, was PolitikerInnen ignorieren oder leichtfertig auf das Spiel setzen.

Die SoKo Tierschutz sieht sich sicherlich auch oft mit Kritik konfrontiert, z.B. ist das heimliche Eindringen in Gebäude oder das versteckte Filmen nicht erlaubt. 

Kritik gehört zum Alltag einer erfolgreichen NGO. Unsere Taktiken werden immer der Situation angepasst. Wir machen uns das nicht einfach, lehnen Straftaten ab und  bisher haben die Gerichte in solchen Fällen Gründe für eine Rechtfertigung gesehen bzw. schon die Staatsanwaltschaften stellen die Verfahren ein, weil wir im Recht sind. Zudem sind viele Taktiken legal. Zum Beispiel undercover Recherchen durch verdeckte ErmittlerInnen in Tierausbeutungsbetrieben. Das ist unsere Hauptstrategie.

Gäbe  es auch andere Möglichkeiten diese Missstände ans Tageslicht zu bringen oder sind diese Methoden alternativlos?

Nur gut getarnt und mit professionellem Equipment gelingen den Tierschützern versteckte Aufnahmen. (Quelle: soko-tierschutz.org)

Wenn wir Alternativen haben, dann sind diese immer zu bevorzugen. Jeder Fall wird genau bewertet und dann werden die nötigen Maßnahmen geplant. Dabei beginnt man immer mit der geringsten Eskalation. Zum Beispiel kann man fragen, ob man die Haltung sehen darf. Es gibt natürlich Fälle, von extremen Rechtsbrüchen, die ein sofortiges Eingreifen nötig machen, wie im Fall der Merklinger Schweinemast. Wir stellen uns immer einer juristischen Überprüfung unserer Vorgehensweisen.

Was halten Sie von der Idee Schlachthöfe mit Videokameras auszustatten?

Nichts, denn das hätte ja nur Wirkung, wenn jemand dieses ganze Material sichtet und diese Person auch noch motiviert, fähig und autorisiert sein müsste, um  durchzugreifen. Zwei der letzten Schlachthöfe, die nach unseren Aufdeckungen geschlossen wurden, hatten Videoüberwachung. Das Ganze ist ein Ablenkungsmanöver und man möchte die Betriebe besser gegen Tierschützer abschirmen.

Mit ihren Enthüllungen treten sie natürlich auch vielen Leuten auf die Füße. Werden Sie oft beschimpft oder sogar bedroht und wie gehen Sie damit um?

Eigentlich nicht. Wir haben bei Tierhaltern auch viel Respekt. Sie wissen selber, dass in der Branche viel schief läuft und viele Infos kommen direkt von solchen Leuten. Hass und Hetze bekommen wir aber dennoch ab, von Leuten, deren Weltbild wir z.B mit einer Bioaufdeckung durcheinander gebracht haben oder von professionellen PR Trollen, die z.B von Tierausbeutern bezahlt werden.

Als Undercover-Ermittler darf man sich natürlich nicht zu erkennen geben. Man beobachtet also manchmal schlimme Tierquälereien, kann jedoch nicht einschreiten, da man sonst auffliegen würde. Wie gehen Sie damit um, ist das nicht furchtbar belastend?

Unsere Ermittler werden gut unterstützt, es gibt eine rund um die Uhr Betreuung und Supervision. Aber natürlich muss man da viel verarbeiten. Ich sage mir dann immer, das ich ja Teil der Lösung bin, nicht Teil des Problems und dass ich jetzt in dieser schrecklichen Situation die Macht habe, dass alles zu verändern.

Weihnachten steht vor der Tür. Da gehört bei vielen Menschen häufig die traditionelle Gans oder die Rinder Roulade auf den Tisch. Wieviel Leid steckt in so einem Essen?

Auch Infoarbeit in Schulen gehört zur Aufgabe der SOKO-Tierschutz. (Quelle: soko-tierschutz.org)

Sehr viel und das gilt für das Fleisch egal aus welcher Produktionsart. Zucht, Mast, Transport, Schlachtung, die Verstümmlungen an den Tieren z.B das Enthornen. Bei Gänsen kommt noch der grausame Lebendrupf oder die Stopfmast dazu. Wenn man weiß, welches Schicksal Tiere haben, dann entscheidet man sich für eine rein pflanzliche, leckere und nachhaltige Weihnacht ohne Tierleid. Unser Tipp: vegane Knusper-Ente mit Knödeln und Rotkraut.

Was kann der Verbraucher tun, um sein Essen frei von Tierleid zu halten? Der „Metzger des Vertrauens“ wird da ja oft genannt.

Der Metzger um die Ecke, Bauer des Vertrauens, wurde von uns ja schon sehr oft enttarnt. Echter Tierschutz heißt ein Ende der Tierausbeutung, denn Ausbeutung geht nicht einvernehmlich. Damit leistet man dann auch einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit und zum Schutz des Menschen vor Ausbeutung, z.B als Arbeitssklave im Schlachthof. Vegan geht einfacher denn je und ist eine einfache Antwort auf ein sehr komplexes Problem. Veganer Essen ist lecker, gesund und verfügbar, mit jeder Person, die diese Lebensmittel konsumiert, wird es einfacher,. Da muss man sich natürlich sein selbst gezimmertes Wohlfühlweltbild über Tiere die glücklich in den Tod gehen über Bord werfen.

Wenn Sie für das nächste Jahr einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich für die „Soko Tierschutz“ wünschen?

Das wir überflüssig werden. Keiner reißt sich um diese gefährliche und sehr anstrengende Arbeit. Ansonsten ein Transporterstrahl wie in Star Trek. Das würde die zehntausenden Kilometer pro Jahr leichter machen. 😉

Vielen Dank für dieses sehr aufschlussreiche Interview und alles Gute für ihre zukünftige Arbeit.

Weitere Informationen zur SOKO-Tierschutz findet ihr auf der Homepage soko-tierschutz.org

Alle im Artikel verwendeten Bilder mit freundlicher Genehmigung der SOKO-Tierschutz.

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