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Der Tod gehört zum (Berufs)-leben

Wie ergeht es Menschen, die aus beruflichen Gründen oft mit dem Tod konfrontiert werden?
Dieter Elbers ist Leiter der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege in Cloppenburg. Er berichtet uns von seinem ersten einschneidenden Erlebnis in seinem ersten Ausbildungsjahr mit dem Tod und dem Sterben.

“Ich kann mich noch sehr gut an eine Situation erinnern, wo ich das erste Mal einen Sterbefall erlebt habe.

Es war an einem Sonntagmorgen – das weiß ich noch ziemlich genau, obwohl es schon länger her ist. Dieser Sterbefall war ein älterer Herr, der sehr krank war und schon seit Tagen im Sterben lag. Er hatte die üblichen Sterbephasen schon durchlaufen, es ging ihm zunehmend schlechter, allerdings war er zwischendurch immer wieder mal ansprechbar und das so, dass ich mich mit ihm unterhalten konnte.

An diesem Morgen wurde ich von den Stationsschwestern zugeteilt, um ihnen bei der Morgenpflege zu helfen, indem ich Herrn B. wusch. Also holte ich Wasser und wusch nacheinander sein Gesicht, seine Arme und seinen Oberkörper. Dabei haben wir uns auch unterhalten, aber er ist immer wieder eingeschlafen oder weggenickt. Dann gab es eine plötzlich Situation wo seine Atmung kompliziert wurde und er eine Schnappatmung bekam, Ich konnte die Situation noch nicht so richtig einschätzen. Es war kein weiterer Patient mit im Zimmer, ich war also allein. Als ich weitermachen und ihm die Haare kämmen wollte, nahm ich ihn in den Arm, sein Kopf fiel zur Seite und er hat erbrochen. In diesem Moment hat er ganz tief eingeatmet und er ist gestorben.

Das habe ich so zunächst gar nicht realisiert. Ich bin dann aber raus gelaufen und habe ganz laut „Hanna“ gerufen, sie war die Schwester, mit der ich Dienst hatte. Als sie kam, hat sie mir erklärt, dass Herr B. gestorben war. Im ersten Moment war ich in einer Schockphase, doch gleich danach musste es auch weitergehen und Hanna hat mir erklärt, was ich zu tun habe.

Wir haben als erstes das Erbrochene weggemacht und ihn dann ins Bett gelegt. Hanna erklärte mir, dass sie nun die Angehörigen anrufen müsse. Diese wussten auch, dass er Herr B schwer krank war und dass es zu Ende gehen würde, doch niemand hätte damit gerechnet, dass es an diesem Morgen passiert.

Schwester Hanna erzählte mir warum es so abgelaufen war, das es nichts mit meiner Arbeit zu tun hatte und mich keine Schuld traf. Das war sehr gut, denn im ersten Moment hatte ich natürlich gedacht: „Hey, was habe ich falsch gemacht?“

Dieter Elbers (Foto: krankenhaus-cloppenburg.de)

Wir blieben die ganze Zeit über im Zimmer. Herr B. war katholisch, deshalb haben wir nach den Ritualen der katholischen Kirche und der Glaubenslehre einen kleinen Altar und ein kleines Kreuz im Zimmer aufgebaut. Wir falteten seine Hände und legten einen kleinen Rosenkranz dort hinein. Sowohl als wir noch alleine mit Herrn B. waren, als auch mit den Angehörigen später sprachen wir ein Gebet. Im ersten Moment waren diese natürlich sehr traurig und haben geweint.

In diesem Augenblick war ich ein bisschen hilflos, da ich so eine Situation überhaupt nicht kannte und zog mich in eine Ecke des Raumes zurück.

Schwester Hanna hat routiniert und ganz souverän den Angehörigen erklärt wie Herr B gestorben ist und, dass ich dabei war. Ich erzählte ihnen noch einmal, wie genau er gestorben ist.

Für sie war dies auch alles soweit in Ordnung. Wir haben sie schließlich alleine gelassen, damit sie sich verabschieden konnten. Nach und nach kamen immer mehr von seinen Verwandten, sodass am Ende sieben bis acht Leute im Zimmer waren. Später kam noch ein Pastor dazu und hat auch mit ihnen gesprochen und gebetet.

Wir mussten natürlich auch noch die anderen Patienten versorgen und haben erst einmal weitergearbeitet. Als wir Pause hatten, haben Schwester Hanna und ich uns noch einmal zusammen gesetzt und über das Geschehene gesprochen.

Sie hat sich die Gefühle, die ich in jenem Augenblick gespürt habe, ganz genau von mit erzählen lassen und erzählte mir anschließend von ihrem ersten Sterbefall. Sie machte mir deutlich, dass es nun einmal in diesem Beruf, der Altenpflege, Alltag ist, wenn Menschen sterben und man lernen muss damit umzugehen. Diese Situation war sicher außergewöhnlich, aber bestimmt nicht die letzte.

Sie gab mir noch Tipps, wie man mit Angehörigen sprechen und umgehen kann. Genauso wie vorher erklärt ging sie dann auch mit diesen Menschen um. Sie bot ihnen zu Trinken und zu Essen an und fragte, ob sie vielleicht telefonieren oder noch beten möchten. Wo ich all dies hörte, ging es mir allmählich besser und ich merkte, dass man ähnliche Situationen erleben muss um dort hinein zu wachsen.

Die Hinterbliebenen hatten mit uns besprochen wie der Leichnam versorgt werden sollte. Der Leichnam wurde zuerst von uns umgezogen und dann mit einem sogenannten rollenden Sarg in die Leichenhalle des Krankenhauses gebracht, dort umgebettet und so lange aufgebahrt, bis das Bestattungsinstitut kam und ihn abholte. Dieses hat ihn zu seinem Heimatort gebracht, wo er in der Leichenhalle des Friedhofs aufgebahrt wurde.

Vormittags wurde normal weitergearbeitet, als mittags Schichtwechsel war, wurde erklärt, dass Herr B. verstorben war.

Dieses Erlebnis war sehr emotional und mit vielen verschiedenen und gemischten Gefühlen verbunden. In dem Moment, wo man arbeitet, geht man noch einmal ganz anders damit um als danach, wenn man noch einmal darüber spricht. Es wurde viel über dieses Ereignis geredet und viele haben sich erzählen lassen, was in mir vorging und was ich fühlte. Das hat mir sehr geholfen und ich wurde wirklich gut aufgefangen von der Station oder den anderen Schülern.

Eine Mitschülerin hat damals genau aus diesem Grund ihre Ausbildung abgebrochen. Sie hatte vier bis fünf Sterbefälle und hat es emotional einfach nicht mehr ausgehalten. Sie ist jetzt in der Heilerziehungspflege tätig und arbeitet mit Behinderten. Allerdings wurde sie damals einfach nicht so gut von der Station aufgefangen wie ich.

Es war sehr wichtig nach traurigen Ereignissen auch immer wieder Positives zu erleben, da man beim nächsten Mal wieder ganz anders an die Sache ran gehen konnte.

Seidem ich Lehrer geworden bin, habe ich dies oft wieder aufgegriffen , sodass ich die Schüler dort dementsprechend weiterbringen kann.”

1 Kommentar

  1. Toller Artikel. Würde gern mehr Beitraege zu der Thematik sehen. Ich freue mich schon auf die nächsten Posts.

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