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Wenn Schiedsrichter rot sehen

83. Spielminute: Endlich die ersehnte Führung, das Tor, das die Meisterschaft bedeuten würde. Doch dann: Der Schiedsrichter entscheidet auf Abseits. Ein aufgebrachter Spieler stürmt auf den Schiedsrichter los und beschimpft ihn lautstark. Und keiner am Platz schreitet ein. Eine Szene, die leider zum Alltag deutscher Schiedsrichter gehört.

Wenn aus Beleidigungen Drohungen werden

In vielen Spielen gibt es zwischen Spielern und Schiedsrichtern Diskussionen. Immer häufiger fallen dabei auch Beschimpfungen und Bedrohungen.
(Quelle: flickr.com / Jon Candy (CC BY-SA 2.0))

In einem Spielbericht aus Niedersachsen beschrieb ein Schiedsrichter die extreme Lage. Schlimme Beleidigungen und Bedrohungen waren an diesem Samstagnachmittag noch das Harmloseste. Als der Schiedsrichter zur Halbzeit pfiff, flog auf dem Weg zur Kabine eine volle Bierflasche in Richtung des Schiedsrichters, die nur knapp seinen Kopf verfehlte. Der Schiedsrichter war auf sich gestellt, kein Ordner hätte ihm helfen können. Außerdem pfiff er das Spiel alleine, so hätten ihm auch keine anderen Schiedsrichter helfen können. Dieser Schiedsrichter hat seitdem keine Pfeife mehr in die Hand genommen.
Bei einer Schiedsrichter-Prüfung schrieb ein Kursteilnehmer zur Funktion des Mittelkreises auf dem Fußballfeld: “Der Mittelkreis ist der Schutzraum des Schiedsrichters. Hier darf er nicht verprügelt werden. In Nordrhein-Westfalen verteilen immer mehr Schiedsrichter die „Roten Karten” erst nach dem Spiel, wenn sie sich schon in Sicherheit gebracht haben.

Gerade in den Amateurklassen ist Gewalt gegen Schiedsrichter ein ernstzunehmendes Problem. Da wir einen Schiedsrichtermangel haben, ist der Spielbetrieb nur noch sehr schwer aufrecht zu erhalten und die vorhandenen Schiedsrichter müssen besser geschützt werden.

Wenn es über die Grenzen geht

In vielen Spielen ist die Gewaltanwendung auf dem Platz schon fast Alltag, dies kann durch ein Foul oder auch eine Rudelbildung der Fall sein. Jedoch ist die Gewaltanwendung gegen den Schiedsrichter ein Sonderfall, dennoch kommt es zu solchen Vorfällen. Dies zeigt ein weiteres Beispiel aus der Kreisliga. Nach einem brutalen Foul eines bereits vorbelasteten Spielers zeigte Thomas Kahle, ein Schiedsrichter aus Braunschweig, dem Spieler die gelb-rote Karte. Jedoch weigert sich der Spieler vom Platz zu gehen. Daraufhin beleidigte er den Schiedsrichter und spuckte ihm ins Gesicht. Doch was danach geschah, sprengte alle Maße. „Der Spieler hat mich niedergeschlagen. Er war Kampfsportler und hat mir gezielt gegen den Kehlkopf geschlagen.“ Daraufhin verlor Thomas Kahle das Bewusstsein. Wie ein Rettungssanitäter später bestätigte, fehlten nur 5 Millimeter bis zum Tod. Dieser Vorfall wurde erst durch einen Bericht des Spiegels bekannt. Die Redaktion zitiert aus einer Studie, nach der fast zwei Drittel der Schiedsrichter Gewaltandrohungen und mehr als ein Viertel sogar tatsächliche Gewalt erlebt haben. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass es in Deutschland seit Jahren immer weniger Fußballschiedsrichter gibt. Jährlich müssen rund 600 Amateurspiele abgesagt werden, weil es zu Angriffen auf den Schiedsrichter kam.

Sogar minderjährige Schiedsrichter werden davor nicht verschont. Ein 17 jähriger Schiedsrichter wurde, nachdem er einem Spieler die rote Karte zeigte, brutal zu Boden geschlagen. Verantwortlich für Gewalt gegen Schiedsrichter sind dabei nicht nur die Spieler, auch aufgebrachte Trainer oder Eltern am Spielfeldrand bepöbeln die Schiedsrichter und drohen mit Gewalt.

Aus Vorfällen, wie sie auch in dieser Spielsequenz zu sehen sind, wird deutlich, dass Schiedsrichter immer mehr zu Freiwild werden.

Wir haben zu diesem Thema Andrej Hofmann, einen erfahrenen Schiedsrichter aus Niedersachsen, befragt.

Ab wann sagen sie ist es Gewalt gegen den Schiedsrichter, wo ist für sie die Grenze?

Es reicht schon, wenn Gewalt auch nur angedroht wird. Wenn der Schiedsrichter angefasst oder geschubst wird, weil man mit der Entscheidung nicht einverstanden ist.

Woher kommt diese Wut gegen den Schiedsrichter?

Oftmals hat man das Gefühl, dass die Spieler keine Erziehung und Respekt zu Hause beigebracht bekommen. Die Trainer oder Betreuer haben dann neben den eigentlichen Aufgaben auch noch die Erziehung der Jugendlichen/Erwachsenen in den Griff zu bekommen. Wenn dann ein paar Entscheidungen im Spiel dem Spieler sauer aufstoßen, kann er mit seiner Enttäuschung und Wut nicht umgehen und findet am Schiedsrichter ein Ventil, um sich Luft zu machen.

Sollten Schiedsrichter gerade in den unteren Ligen betreut werden um so etwas zu vermeiden?

In den allerersten Spielen nach der Prüfung auf jeden Fall. Aber nach einem halben Jahr/Jahr lässt sich die Betreuung im Verein nicht immer aufrechterhalten, da dann wieder der nächste Nachwuchs darauf angewiesen ist. Eine durchgängige Betreuung in den unteren Ligen für jeden Schiedsrichter wäre ein Riesenaufwand.

Liegt es beim Schiedsrichter die Emotionalität aus dem Spiel zu nehmen?

Sicherlich könnte in dem einen oder anderen Spiel eine bessere Leitung bzw. Kontrolle des Spiels durch den Schiedsrichter ein wenig Öl aus dem Feuer nehmen. Aber oftmals lassen sich mit Körpersprache und klaren Ansagen und den gelben und roten Karten die Spieler und das Spiel nicht beruhigen. Die Spieler schaukeln sich von einer Entscheidung zu nächsten hoch und fühlen sich teilweise betrogen, bis bei dem einen oder anderen die Sicherungen durchbrennen.

In den letzten Jahren ist die Anzahl der Vorfälle zu Gewalt gegen Schiedsrichter stark gestiegen. Woran glauben sie liegt das?

Die Hemmschwelle in der Bevölkerung und bei der Jugend ist teilweise gesunken, der Respekt ist nicht mehr durchgängig vorhanden.

Eine sehenswerte Dokumentation zu diesem Thema könnt ihr euch hier anschauen:

Titelbild Quelle: flickr.com/ Aaron Scholl (CC BY-ND 2.0))

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