Alles beim Alten
Hätte man die Deutschen den amerikanischen Präsidenten wählen lassen, so hätten sich über 90 Prozent für Obama ausgesprochen. Ganz so eindeutig war der Zuspruch der Amerikaner für Obama nicht, dennoch gibt es nun „four more years“.
Das amerikanische Wahlsystem mit seinen Wahlmännern lässt das Ergebnis der Präsidentschaftswahl deutlicher aussehen, als es ist. In absoluten Stimmen liegt Obama nur denkbar knapp vor seinem geschlagenen Herausforderer Mitt Romney. Und da die US Bürger auch die Mehrheitsverhältnisse im Kongress bestätigten, auf der einen Seite das Repräsentantenhaus mit einer republikanischen Mehrheit, auf der anderen Seite der Kongress mit einer demokratischen Mehrheit, bleibt in den Vereinigten Staaten nach der Wahl alles beim Alten: ein tief gespaltenes Land.
Die Spaltung Amerikas zieht sich nicht nur durch das politische System, auch die amerikanische Gesellschaft zeigt sich zerrissener denn je. Dies wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass vor allem Latinos und Schwarze Obama in seine zweite Amtszeit gewählt haben. Bei der weißen Mittelschicht konnte Kontrahent Romney fast 60% der Stimmen holen, sodass man sich fragen muss, ob Obama dieses Mal als Präsident von allen Amerikanern akzeptiert wird. Der tiefe Graben, der sich durchs Land zieht, muss nun überwunden werden. Dies erfordert nicht nur Anstrengungen des wiedergewählten Präsidenten, auch die Opposition muss nun ihre Blockadepolitik aufgeben. Dies sollte nicht nur im Interesse des eigenen Landes sondern auch der gesamten Welt geschehen, denn lässt man die angeschlagene US-Wirtschaft immer stärker in eine Rezession abrutschen, so wird man dies auch deutlich in Europa und anderen Teilen der Welt zu spüren bekommen.
Heute mögen sich viele ein wenig wehmütig an den Wahltag im Jahr 2008 zurückerinnern. Es lag das Gefühl in der Luft, dass dies ein historischer Moment war, an dem zum ersten Mal ein Schwarzer zum Präsidenten gewählt wurde, der den Menschen das versprach, wonach sie sich sehnten: “Hope” und “Change”. Der Barack Obama von heute ist jedoch nicht mehr der von 2008. Der Glanz des Hoffnungsträgers ist in den vergangenen vier Jahren deutlich verblasst, die Botschaft von Hoffnung und Wandel wurde in politischen Grabenkämpfen aufgerieben. Inzwischen wissen auch die Amerikaner, dass Obama keine Wunder vollbringen kann und so weicht das Gefühl des Überschwangs einem realistischen Pragmatismus. Der Präsident dürfte also etwas weniger Erwartungsdruck auf seinen Schultern spüren und jeder weiß, dass das nicht unbedingt ein Nachteil sein muss.
Obamas Aufgaben für die zweite Amtszeit sind also klar definiert: Die Wirtschaft in Schwung bringen, Arbeitsplätze schaffen und die tiefen Gräben in Gesellschaft und Politik überwinden. Nun heißt es anpacken und Taten folgen lassen, nur so wird aus dem charismatischen Präsidenten von einst auch ein bedeutender Präsident.