Die Schattenseiten der Weihnacht
Weihnachten, das Fest der Liebe, steht vor der Tür. In dieser Zeit herrscht vor allem in Logistikfirmen und Versandhäusern absoluter Ausnahmezustand. Auch der Konsument kann aufgrund des stetigen Suchens nach dem richtigen Weihnachtsgeschenk keine entspannte Weihnachtsstimmung aufkommen lassen. Hat das Fest der Liebe seinen Sinn verloren? Ist die Adventszeit überhaupt noch besinnlich?
Was ist der Sinn der Weihnachtszeit? Ist die Weihnachtszeit ein entspanntes Schlendern durch die von Lichterketten und Weihnachtsschmuck eingedeckten Stadtgassen? Eine entspannte Zeit, in der man gerade jeglichen Stress von sich hält und den Fokus auf eine besinnliche Zeit mit seinen Liebsten richtet? Doch warum feiern wir dieses Fest eigentlich? Ist Weihnachten für uns noch das Fest der Geburt Jesu oder nur noch das gegenseitige Beschenken?
Schaut man sich während der Weihnachtszeit um, fällt vieles auf. Da wären zum einen die geschmückten Städte, welche aufgrund vieler Lichterketten und Schmuck allerlei Art wirklich sehr ansehnlich werden. Verträumte Kinder, die mit ihren Eltern durch die Städte spazieren und sich wie verrückt auf Weihnachten freuen. Natürlich steht für diese die Bescherung am Heiligen Abend im Vordergrund. Ohne Frage, die Kleinen träumen von der Erfüllung ihrer Wunschzettel und dass das Christkind sie reichlich beschenkt. Dass die Wünsche dabei im materiellen Wert immer weiter nach oben wandern, ist längst kein Geheimnis mehr. Waren es früher eine Eisenbahn und eine Puppe, so sind es heute das neueste iPhone und die neuen Beats by Dr. Dre – Kopfhörer. Ganz klar, die Augen liegen auf dem Konsum, auch bei Erwachsenen. So schenkt man sich auch in älteren Jahren immer mehr und verhältnismäßig deutlich Teureres als früher. Allein in den letzten 10 Jahren stiegen die Ausgaben für Weihnachtsgeschenke um fast 10 Milliarden Euro. Das Einkaufen der Geschenke dauert bei vielen bis zum letzten Tag der Adventszeit. Es braucht nun mal seine Zeit, für jeden das richtige Geschenk zu erwischen. Oft ist das, was man erwerben will, schon ausverkauft oder vor der eigenen Nase weggeschnappt, da der Konsumwahn flächendeckend seinen Lauf nimmt. Hinzu kommen die stetigen Rabatt- und Werbeaktionen, die die Läden fast von alleine leerräumen. Jeder ist in der Eile, das beste Angebot für seine Anschaffung zu erhaschen. Dass viele dabei nicht auf das stoßen, was sie brauchen, hängt ebenfalls mit der Nachfrage des Produktes zusammen. Da in diesem Jahr beispielsweise besonders Tablet-PCs gefragt sind, gilt es hier schnell zu handeln.
Wirtschaftsforscher fanden jedoch heraus, dass die in Weihnachtsgeschenke investierte Geldmenge bei den Beschenkten deutlich weniger Zufriedenheit hervorruft, als wenn man über die gleiche Summe hätte frei verfügen dürfen. Das Geld wird also oft für Sinnloses verschleudert. Würde eine Regierung in diesem Umfang Geld zum Fenster rauswerfen, wäre die Bevölkerung wohl stinksauer. Ungezügelter Massenkonsum ist jedoch kein Phänomen des 21. Jahrhunderts. Bereits 1850 drückte es Harriet Beecher Stowe so aus: “Um diese Zeit des Jahres vergeuden die Menschen Berge von Geld für Dinge, die niemand braucht und um die sich niemand schert, nachdem sie verschenkt sind.”
Immer mehr Menschen kehren jedoch dem stationären Handel den Rücken und entscheiden sich für das Internet als Einkaufsportal. Firmen-Riesen wie Amazon oder eBay profitieren massiv von den Weihnachtseinkäufen. Der Handelsverband HDE erwartet im Internet für November und Dezember im Vergleich zum Vorjahr ein Umsatzplus von 15 Prozent auf 8,5 Milliarden Euro. Ist im Galeria-Kaufhof das gewünschte Tablet-PC nicht zu finden, ist auch schon amazon.de geöffnet und der Artikel in den Warenkorb geklickt worden. Oft sogar wird das Internet als erstes Hilfsmittel zum Geschenkekauf genutzt. Klar, so spart man sich die nervige Parkplatzsuche und den Stress im Einkaufsgetümmel. Und so kann der Einzelhandel in diesem Jahr mit 80,6 Mrd. Euro nur ein mageres Plus von 1,2% verbuchen.
All das, was für den Kunden wie das stressfreie Einkaufsparadies klingt, ist für viele Angestellte die Arbeitshölle. Ob es nun in den Läden oder in den Versandhäusern ist; es wird geschuftet und geschuftet und geschuftet. In den Läden bricht die Hektik aus, vielerorts wird sich über Unterbesetzung beschwert, da der Ansturm zur Weihnachtszeit so gigantisch ist. Die Angestellten wissen nicht, wann sie was erledigen sollen und versinken in ihrer Arbeit. Überstunden sind gerade in dieser Zeit längst kein Fremdwort mehr.
Diesen Satz müssen sich vor allem Logistikfirmen wie DHL und Hermes zu Herzen nehmen. So ist es keine Seltenheit mehr, dem vollkommen unter Stress stehenden Lieferboten am Sonntagabend zu begegnen, der einem dann auch noch, aus eigener Erfahrung, aus lauter Stress das Scangerät anstelle des Paketes in die Hand drückt. Bis zu 15 Millionen Pakete werden im Advent täglich verschickt. Bis zu acht Millionen Sendungen könnte allein die Deutsche Post an den Spitzentagen vor Weihnachten ausliefern. Das wäre ein neuer Spitzenwert in Deutschland. Im Vorjahr verzeichnete die Deutsche Post DHL noch Bestmarken von täglich bis zu sieben Millionen Paketen. Meist handelt es sich bei den Zustellern um Subunternehmer, die im Auftrag der großen Paketdienste die Bestellungen ausliefern. Sie leiden am meisten unter dem enormen Zeit- und Kostendruck, vor allem wegen der starken Konkurrenz zu anderen Zustellern. Die Schattenseite der Weihnacht wird auch in den Logistzentren der großen Versandhäusern zum Vorschein gebracht. Hier geht Amazon mit schlechtem Beispiel voran: Aufgrund vieler Internetbestellungen muss auch hier in wenig Zeit viel passieren. In einem Interview mit den Ruhr Nachrichten berichtet eine ehemalige Amazon Angestellte, sie habe laut Arbeitsvertrag 150 Pakete pro Stunde verpacken müssen, unabhängig davon, um welche Waren es sich dabei handeln würde. Zudem sei ihre Arbeitsleistung ständig von sogenannten ‘Supervisors’ kontrolliert und überwacht worden. Erschreckend sind dabei die Arbeitsbedingungen der Angestellten. Weihnachten 2012 wurden allein für die deutschen Lager zusätzlich 5000 Gastarbeiter aus ganz Europa geordert, die für Niedriglöhne schufteten und in sehr beengten Unterkünften leben mussten.
Von Besinnlichkeit kann hier schwer die Rede sein. Weihnachten verfällt dem Konsumwahn und verliert somit seinen Sinn. Der Käufer gibt sich zwar meist die größte Mühe die Wünsche eines jeden zu erfüllen – aber ist das der richtige Weg? Vielleicht sollte man viel mehr auf etwas Kreatives umsteigen, etwas, was nicht gerade das Teuerste oder Neueste ist, aber dennoch brauchbar und Freude bereitend. Dadurch wird eine Menge Stress vermieden und Weihnachten gewinnt seine Besinnlichkeit zurück. Wenn wir die Augen wieder auf das Wesentliche richten, hilft das oft nicht nur uns selbst, sondern auch der gesamten Gemeinschaft und verbessert das Klima zuhause spürbar. Nie sollte der Ursprung der Weihnacht vergessen werden: die Geburt Jesu. Denn mal abgesehen von all den schönen Geschenken, wir feiern doch immer noch den Geburtstag des Messias – oder?