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Geiz war geil

Eine große Elektronikmarktkette warb vor einiger Zeit noch mit der Feststellung, dass Geiz geil sei. Doch Umfragen zeigen, dass Geiz gar nicht geht und zu den unbeliebtesten Charaktereigenschaften zählt. Doch was sind eigentlich die Ursachen für Geiz und hat er vielleicht auch positive Seiten?

Jeder kennt dieses Gefühl, in einem Laden zu sein und am liebsten einfach alles haben zu wollen. Wir stehen aber auch vor dem Supermarktregal und vergleichen akribisch die Preise und greifen zur Milch, die 5 Cent billiger ist. Woher kommt dieses Verhalten? Einige Experten vermuten genetische Ursachen. Der Verhaltensgenetiker Professor Richard Ebstein identifizierte vor einiger Zeit ein Gen namens AVPR1a, das offenbar Einfluss darauf hat, wie geizig oder spendabel jemand ist. In einem Experiment gab er Versuchspersonen einen bestimmten Geldbetrag und diese sollten darüber entscheiden, wie viel sie spenden würden. Beim Ergebnis stellte sich heraus, dass Leute mit einer ausgeprägten Version des Gens wesentlich mehr spendeten.
Aufschlussreich ist auch ein Verhaltensexperiment der Münchner Informatikerin Ulrike Lechner: Sie stellte Testpersonen die Frage, was ihnen besser gefallen würde: 100.000 Euro zu verdienen, wenn alle anderen 50.000 Euro bekommen oder 200.000 Euro zu verdienen, während die anderen Mitmenschen 300.000 Euro kassieren. Für die Mehrheit war es attraktiver 100.000 zu verdienen während die anderen nur die Hälfte bekamen. Dieses irrational anmutende Verhalten wird dadurch begründet, dass wir tendenziell besser abschneiden wollen als unsere Konkurrenten.

Wer an einen „Geizhals“ denkt, hat sicher direkt dieses Bild eines alten grimmigen Mannes mit weißen Haaren vor Augen. Doch warum ist das so? Denn laut neuesten Umfragen müssten wir eigentlich an eine Frau denken. 18 % aller Männer beschreiben ihre Frau als geizig und nur 14 % aller Frauen denken dies über ihren Mann. Aber woher kommt dann dieses Bild eines grimmigen Mannes? Einige Wissenschaftler behaupten, es läge an den früheren Königen (meistens männlich), die das ganze Geld für sich behalten wollten und immer alles haben wollten oder daran, dass früher meist nur Männer arbeiteten, also auch nur Männer Geld hatten. Also konnten  auch nur diese geizig sein, denn ohne Geld auch kein Geiz.

Jesus vertreibt die Geldwechsler aus dem Tempel.

Jesus vertreibt die Geldwechsler aus dem Tempel. Holzschnitt von Julius Schnorr von Carolsfeld (1860)

Warum gehören Geiz und Habgier nun eigentlich zu den 7 Todsünden? Der Geizige schadete dem Zusammenleben, weil er die gottgegebene Gleichheit aller Menschen zu seinen Gunsten verschieben wollte und sich mit der Vermehrung seines Eigentums – oft auf Kosten anderer – ins gesellschaftliche Abseits begab. Der Geizige versündigte sich aber nicht nur gegenüber seinen Mitmenschen sondern auch gegenüber Gott, weil er einen Gewinn erzielen wollte, ohne dafür “im Schweiße seines Angesichts” (Genesis 3,19) zu arbeiten. Schon Paulus verteufelte deshalb den Geiz als “Wurzel allen Übels” und Augustinus beschrieb ihn als “Wahnsinn der Seele“.  Und auch Jesus selber war erzürnt über die Geldwechsler: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!“

Geiz kann richtig ausarten. Extrem geizige Menschen klauen nicht selten, um Geld zu sparen. Sie ziehen sich immer mehr von Freunden und Familie zurück, weil sie lieber den ganzen Tag arbeiten, um möglichst viel Geld zu verdienen. Sie haben Angst, dass sie den Bekannten Geschenke machen müssen und um Restaurants machen sie einen großen Bogen, weil sie den Gedanken an die Rechnung nicht aushalten können. In einer Mietwohnung können sie sich nicht einmal aufhalten, weil sie der Gedanke an die Miete nur krank macht.

Doch wo genau findet man nun den Unterschied zwischen normaler Sparsamkeit und dem ungeliebten Geiz? In einem Interview von BILD.de mit dem Religionspädagogen Professor Anton Bucher („Geiz, Trägheit, Neid & Co. in Therapie und Seelsorge. Psychologie der 7 Todsünden“, Springer, 232 Seiten, 29,95 Euro) äußert dieser sich wie folgt zu der Frage: “Die Grenzen sind fließend. Ein plausibles Kriterium ist jedoch, ob Menschen sich selber -und anderen- gelegentlich auch ein wenig Vergnügen gönnen. Bei wirklich geizigen Menschen ist dies nicht mehr der Fall. Ein weiteres Kriterium ist, ob Menschen sich grundsätzlich etwas leisten können. Wenn ein Hartz IV-Empfänger nicht bereit ist, für etwas Geld zu spenden, dann ist das etwas anderes, als wenn ein Millionär sich weigert, eine Wohltätigkeitsorganisation zu unterstützen. Dieses Sprichwort fasst es ganz gut zusammen: „Wirklich knauserig sein, lernt man am ehesten von den Reichen.“ Geizige Menschen sehen ihre übertriebene Sparsamkeit oftmals als Charakterstärke und erleben selten einen Leidensdruck. Welchen Grund sollte es also geben, irgendetwas an diesem Verhalten zu ändern? „Wer geizig ist, leidet selbst meist nicht darunter“, so Bucher. Das tun die anderen umso mehr.

Auch die Habgier kann zur Sucht werden. Die Psychologie nutzt in diesem Zusammenhang den Begriff des Messies. Hierbei ist nicht der bekannte Fußballspieler gemeint, sondern eine Person, die immer und immer mehr kauft und damit nicht aufhören kann. Bucher sieht als Ursache für dieses Verhalten oft ein zu geringes Selbstwertgefühl. “Menschen fühlen sich genötigt, habgierig in die Geschäfte zu eilen, wenn sie sich deprimiert und weniger wert fühlen” Mit dem Kaufrausch kompensieren sie ihre Minderwertigkeitsgefühle.
Der Forscher Hans Breiter von der Harvard Medical School konnte eindeutige Zusammenhänge zwischen „Sucht“ und „Gier“ feststellen. Es zeigten sich große Ähnlichkeiten in den Gehirnaktivitäten von Drogensüchtigen und Börsenspekulanten, die einen unerwartet großen Gewinn gemacht hatten. Immer weniger würde das eigentliche Ergebnis im Vordergrund stehen, sondern vielmehr das rauschhafte Erlebnis, der Kick.
Dennoch sollte man nicht vergessen, dass der Kapitalismus ohne Gier nicht funktioniert. Der deutsche Wirtschaftsexperte Alan Posener glaubt, dass der Wunsch danach besser zu leben und mehr zu verdienen vielen westlichen Industrienationen einen Wohlstand beschert habe, der vor einigen hundert Jahren noch unvorstellbar gewesen wäre. „Wer in einer Welt ohne Gier leben will, soll ins Kloster gehen oder in eine Koranschule“, so Posener. Einer der Begründer der klassischen Ökonomie, Adam Smith, sagte: „Wenn es um mein täglich Brot geht, verlasse ich mich nicht auf die Menschenliebe des Bäckers, sondern auf seine Gewinnsucht.“ Allerdings zog er eine klare Grenze zur Gier; diese sei „ein unwürdiges Laster“.

Ohne Gier geht also nichts, aber zu viel Gier kann alles zerstören. Menschen, die an dieser Eigenschaft „leiden“ kommen nicht nur in finanzielle sondern häufig auch in private Probleme. Denn Geiz und Habgier sind nicht gerne gesehen. Laut einer Umfrage der Partnervermittlung Elitepartner unter 2500 Singlefrauen ist herausgekommen, dass die mit Abstand unattraktivste Eigenschaft bei Männern Geiz ist. Alle haben es lieber, wenn der Mann großzügig ist. Doch in unserer heutigen Konsumgesellschaft kommt der Geiz und auch die Habgier immer mehr vor, also zerstören sie vor dem sozialen Absturz nicht selten Partnerschaften und Freundschaften. Und auch global birgt die Gier viele Gefahren. So kam der Prager Bewusstseinsforscher Stanislav Grof zu der Erkenntnis: „Die Gier treibt die Menschen hinter die Grenzen jeglicher Vernunft, führt zu fast allen Übeln: Boden-, Wasser-, Luftverschmutzung, nuklearer Abfall, Treibhauseffekt, Vergiftung der Meere.“
Statistik: Welchen Aussagen zum Thema Geiz treffen in Ihrer Partnerschaft zu? | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Damit es bei Dir erst gar nicht so weit kommt, hier noch einige Tipps, wie du zu einem großzügigerem Menschen werden kannst:
1. Selbsterkenntnis ist auch beim Thema Geiz der erste Schritt zur Besserung. Zunächst muss man sich selber bewusst machen, dass man übertrieben sparsam und geizig ist.

2. Als nächstes sollte man sein Verhalten genau beobachten und sich überlegen, in welchen Situationen man besonders geizig ist.

3. Überlege Dir genau, wer oder was Dich davon abgehalten hat großzügiger zu sein. Wovor hattest Du Angst, welche Konsequenzen hast du als Folge der Großzügigkeit gefürchtet?

4. Woher kommen diese Ängste und Sorgen vor Großzügigkeit? Gibt es Menschen, die Dir diese Philosophie vorleben oder vermitteln?

5. Welche Nachteile hattest Du bisher durch dein geiziges Verhalten – für dich selbst, Partnerschaft, Freundschaft, Familie und Beruf?

6. Welche Vorteile und positiven Veränderungen könnte es haben, wenn Du großzügiger wärst?

7. Praktische Umsetzung: Lege einfach monatlich einen Betrag fest und gebe diesen auf jeden Fall für Kleinigkeiten aus. (Es muss ja nicht viel sein!) Gönn Dir etwas, wenn Du etwas haben möchtest.

Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier. Mahatma Gandhi

“Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.”
Mahatma Gandhi

8. Vorbilder suchen: Es gibt Vorbilder, an denen sich Geizige orientieren könnten, wenn sie es denn wirklich wollten: Mahatma Gandhi etwa hinterließ bei seinem Tod eine Brille, ein paar Sandalen, einen Kugelschreiber und einen Sari. Er wusste genau, was viele geizige Menschen offenbar vergessen haben. Wie auch immer man es dreht oder wendet: das letzte Hemd hat keine Taschen.

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