Große Ehre dank kleiner Bläschen
Den Medizin-Nobelpreis erhalten dieses Jahr die zwei Amerikaner James Rothman und Randy Schekman sowie der aus Göttingen stammende Thomas Südhof, der Professor für Neurochemie an der Stanford University ist. Die drei entschlüsselten die Transportregulationsmechanismen der Zellen und liefern mit ihren Forschungen entscheidende Grundlagen zur Heilung von Krankheiten wie z.B. Diabetes.
Für einen Organismus ist es überlebenswichtig, dass zur richtigen Zeit zum richtigen Ort die richtige Substanz transportiert wird; schließlich ist das Leben – naturwissenschaftlich betrachtet – nichts anderes als eine unendlich vielfältige, ineinander verschachtelte Abfolge von biochemischen und biophysikalischen Prozessen. Die kleinste Abweichung kann sich zu großen Fehlern im Biosystem aufsummieren – und das bedeutet für den Menschen schließlich eine Krankheit.
Was nun Rothman, Schekman und Südhof untersucht haben, ist das Kontrollsystem dieser Prozesse, das sich aus der Kombination der jeweiligen Beiträge der Wissenschaftler ergibt. So hat Schekman die genetischen Grundlagen erarbeitet. Mittels mutierter Hefekulturen konnte er ex negativo, also über Ausschluss der nicht zu betrachtenden Gene, die für den Vesikeltransport zuständigen Gene ermitteln. Dabei stellte er zudem die evolutive Stabilität dieses Transportsystems fest, weil die Gene (in umfangreicherer Form) auch bei Säugetieren zu finden sind.
Rothman zeigte, wie die Verschmelzung der Vesikel mit dem respektiven Zellmembranbestandteil der Zielzelle stattfindet, nämlich über komplementäre Proteinstrukturen sowohl auf Vesikel- als auch auf Zellmembranoberfläche – und hier kann der geneigte Leser und aufmerksame Bioschüler ein Prinzip aus dem viel gepriesenen Basiskonzept der „Struktur und Funktion“ wiedererkennen: das Schlüssel-Schloss-Prinzip. Vesikel und Zielzellenmembran bilden einen reißverschlussartigen Komplex, bei dessen Öffnung die Substanz in die Zelle gelangen kann.
Der Transport von Stoffen in die Zelle hinein und aus dieser hinaus wird über sogenannte „Vesikel“ bewerkstelligt. Vesikel sind vereinfacht Bläschen, von denen Substanzen umfasst werden. Für den Transport in die Zelle, die Endocytose, verschmilzt das Vesikel mit der Zellmembran, sodass das Molekül ins Zellplasma gelangt. Bei der gegenteiligen Exocytose „stülpt“ sich um den an der Zellmembran konzentrierten auszugehenden Stoff ein Stück der Membran.
Bedeutend sind diese Erkenntnisse deshalb, weil sie neue medizinische Ansätze zur Behandlung von Krankheiten wie beispielsweise Diabetes mellitus oder Tetanus ermöglichen. Man weiß, beim Diabetes mellitus kann die Zelle kein Insulin aufnehmen, dass zur Aufnahme des Zuckers in die Zelle notwendig ist. Tetanus entsteht, weil das Tetanus-Gift das Vesikelsystems blockt. Schekmans, Rothmans sowie Südhofs Erkenntnisse können hier angewandt werden, sodass beispielsweise festgestellt werden kann: Bei Diabetes ist jenes defekte Gen verantwortlich und bei Tetanus blockt das Gift die Ca2+-Abgabe.
Hier sind allerdings wiederum weitere Forschungsarbeiten durchzuführen, denn eine beantwortete Frage ergibt in der modernen Forschung viele neue Fragen, deren Antworten gesucht werden müssen. Dieser Prozess der Erkenntnisgewinnung ist unabdingbar für menschlichen Fortschritt.