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“Ich bin ausnahmsweise für Schwarz-Gelb”

Laurentinews.de am Mittwochnachmittag zu Besuch in der Niedersächsischen Staatskanzlei: „Können wir auf den Parkplatz? Wir haben um 15.30 Uhr ein Interview mit dem Ministerpräsidenten.“

„Nee, der ist voll.“, kommt als Antwort aus der Sprechanlage. ‚Gut ‘, denken wir uns, ‚das macht das Interview umso interessanter.‘ 

Nachdem wir uns angemeldet und vorübergehend im absoluten Halteverbot geparkt haben, beginnen wir die LKW-Ladung Kameraequipment ins Kabinettszimmer zu verfrachten und das Set aufzubauen.

Kameras, Licht, Ton – bevor das Interview beginnen konnte, musste das Set aufgebaut werden.

Irgendwann kommt Stephan Weil herein, begleitet von seiner Pressesprecherin Anke Pörksen, mit der wir nach dem Interview eine angeregte Diskussion über Bildungspolitik führen werden. Stephan Weil ist Ministerpäsident. Er hat leider nicht viel Zeit. Gleich muss er in den Zug nach Berlin zum Pfingsttreffen der SPD-Landesgruppen Niedersachsen und Bremen.

Aber vorher kriegt er es mit uns zu tun.

Über sich selbst zu urteilen, liegt dem Ministerpräsidenten fern,  als wir nach seinen Charaktereigenschaften fragen. Er bezeichnet sich aber im politischen Sinne als Teamsportler, ist ein großer Fan norddeutscher Fußballvereine. Der gebürtige Hamburger hat sein Abitur in Hannover gemacht und ist nun Mitglied des Aufsichtsrates der Volkswagen-AG. „VfL, HSV oder Hannover 96?“, fragt man sich da. Laut eigener Aussage ist er „ein Roter – sowohl politisch als auch sportlich“ und bevorzugt dementsprechend Hannover 96, verweist aber beiläufig auf die Erfolgskurve von Eintracht Braunschweig. Beim Champions League Finale hingegen wird von dem „Roten“ Schwarz-Gelb favorisiert.

Kurz vor dem Interview – ein letzter Blick auf die vorbereiteten Fragen.

Er bleibt nah an der Heimat. Denn er selbst bezeichnet sich als „notorischen Heimschläfer“, als er bestreitet, noch höhere Ämter anzustreben. Am besten schlafe Stephan Weil zu Hause. Er habe noch nie die Karriereleiter hinaufgeschaut, sich vielmehr seinen Aufgaben gewidmet als seine politische Laufbahn zu planen. Wer das tue, sei ein schlechter Politiker, sagt er. Auf keiner Stufe sei er stehen-, auch nicht in der Schule sitzengeblieben. Nachdem es bei ihm, wie der eine oder andere blaue Brief allerdings offenbart, in der Sekundarstufe I nicht so gut lief, habe er  in der Oberstufe erst richtig durchgestartet. Mit dieser Ausführung leitet er sein Plädoyer für individuelle Förderung ein und erklärt, dass in den nächsten Jahren darüber geredet werden soll, wie das Sitzenbleiben überflüssig gemacht werden kann. Sein persönliches Konzept zielt darauf ab, den Schülern mit Nachprüfungen eine zweite Chance zu geben. Den Vorwurf, dass hierdurch die Leistungsanforderung sinke (auf das gesamte Schuljahr betrachtet), dementiert Stephan Weil. Wo er auf der einen Seite Extraprüfungen einführen will, plädiert er auf der anderen für die Senkung der Zahl von Klausuren. Auch Noten sollten durch Lernzustandsberichte ersetzt werden. Jedoch dürften auf Nachfrage die entsprechenden Noten trotzdem gerne herausgegeben werden. In welcher Reihenfolge dies geschieht, spielt für den MP, wie seine Angestellten ihn nennen, keine Rolle. Dass dies in mündlicher Form schon lange passiert, lässt Stephan Weil außer Acht. Er möchte, dass Lehrer ausführliche Lernzustandsbeschreibungen herausgeben. Dies sei auch kein „Werfen mit Wattebäuschen“.

Smaltalk mit dem Ministerpräsidenten vor dem Interview.

Der Sohn des MP hat das Gymnasium besucht, weil seine Eltern Akademiker seien und viel Wert auf die Bildung ihres Kindes gelegt hätten. Stephan Weil sagt, dass die Zielgruppe des Gymnasiums Akademikerkinder seien, dass seine Interviewerin, Tochter einer Krankschwester und eines Kabelwerkers, eine Ausnahme sei. Dabei sind auch die Eltern ihrer Mitschüler in den wenigsten Fällen Akademiker. Vielmehr haben sie den Empfehlungen ihrer Grundschullehrer bei der Wahl einer Schulform Folge geleistet oder tatsächlich wie Stephan Weil Wert auf die Bildung ihres Kindes gelegt.Der Ministerpräsident möchte auch Kindern, deren Eltern die schulische Entwicklung ihres Kindes nicht so wichtig ist, eine Möglichkeit geben, gute Bildung zu erhalten.

Stefan Weil im Gespräch mit Alina Buxmann – im Fokus des Interviews stand die Bildungspolitk.

Dass die Stärkung der integrierten Gesamtschule das Gymnasium nicht schwächen würde, untermauert Weil mit dem Beispiel Hannover: Die Gymnasien seien, unbeeindruckt von der wachsenden Zahl an Gesamtschulen, stabil. Denn auf die IGS würden eher Eltern anspringen, die ihr Kind sonst auf eine Haupt- oder Realschule geschickt hätten. Das Laurentius-Siemer-Gymnasium, so vermutet Weil, müsse sich keine Sorgen machen, wenn im Nachbarort eine IGS errichtet werde, da letztlich die Eltern entscheiden würden, auf welcher Schule sie ihr Kind anmelden. Ein Projekt wie dieses Interview zeuge davon, dass unsere Schule gute Angebote hätte. Die Formulierungen des MP sind vorsichtig, da er die Situation vor Ort nicht genau kennt.

Eine Aussage wie „Uli Hoeneß hat meinen letzten Urlaub bezahlt“ hätte sich die Redaktion für den Schluss des Interviews gewünscht. Allerdings lässt der Ministerpräsident sich zu keinem exklusiven Statement hinreißen, dass unsere kleine Schülerzeitung schlagartig bekannt machen könnte. Stattdessen betont er, dass er bei seinen vielen Fernsehinterviews selten eines erlebt hat, dass von einem derart umfangreichen Equipment begleitet wurde – und ersetzt das Adjektiv „klein“, das unsere Schülerzeitung beschreibt, in seiner Antwort durch ein „großartig“.

Zum Schluss gab es ein Erinnerungsfoto: Stephan Weil, Alina Buxmann und Jonas Thoben.

Einen Politiker dieses Ranges interviewt eine Schülerzeitung nicht alle Tage. An diesem unvergesslichen Nachmittag stand für uns eine neue Tür offen. Anstatt sich auf Erfahrungen anderer mit Stephan Weil zu berufen, schauten wir dorthin, wo ein Journalist hinzuschauen hat: hinter die Kulissen, direkt auf die Person. Die war bodenständig, nahbar und charmant, die Antworten glaubhaft und wenig verklausuliert. Es bleibt zu wünschen, dass Weils Politik, vor allem im Bildungsbereich, einen ähnlich positiven Eindruck hinterlassen wird. Doch Vorschusslorbeeren werden auch von uns nicht verteilt.

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