Pages Navigation Menu

Mein Kampf – Es ist wieder da

Es gilt als das gefährlichste Buch deutscher Sprache: “Mein Kampf” von Adolf Hitler. Seit heute erscheint es wieder in einer von Historikern kommentierten Neuauflage. Um kaum ein anderes Buch ranken sich so viele Mythen und Legenden. Wir beantworten Euch die wichtigsten Fragen zur umstrittenen Hetzschrift.

1. Hat Hitler “Mein Kampf” selber geschrieben?
Lange Zeit gab es die Vermutung, dass Hitler „Mein Kampf“ seinem späteren Stellvertreter Rudolf Heß diktiert hat. Neuere Erkenntnisse zeigen jedoch, dass Hitler selber den Text, nach seinem gescheiterten Putschversuch während seiner Festungshaft in Landsberg 1924, auf einer Reiseschreibmaschine getippt haben soll. Dies belegen auch Originalbriefe von Heß aus dem Gefängnis. Auch ein inhaltlicher und sprachlicher Vergleich zwischen Hitlers Reden in den zwanziger Jahren und dem Buch belegt, dass „Mein Kampf“ Hitlers O-Ton ist. Den zweiten Band diktierte Hitler 1925/26 dann einer Sekretärin.

2. Worum geht es in „Mein Kampf“?
„Mein Kampf“ ist Hitlers wichtigste politische Schrift. Band 1 zeichnet in erster Linie Hitlers Biographie sowie die Frühgeschichte der NSDAP und ihrer Vorläuferorganisation, der Deutschen Arbeiterpartei (DAP), stark stilisiert nach, im zweiten Band  steht die Programmatik der Nationalsozialisten im Mittelpunkt. Hitler nutzt seine Haftzeit, um das, was er bislang erlebt, gelesen und erdacht hatte, zu einer schriftlich fixierten Ideologie zusammenzuführen und um für die NSDAP eine neue Perspektive und eine neue Strategie zu entwickeln. Auch die Forderungen nach einem Anschluss Österreichs und nach neuem Lebensraum werden von Hitler aufgestellt. Schließlich rechnet er aber auch mit den „Verrätern“ des gescheiterten Hitlerputsches ab und schwört alle Nationalisten auf den Juden als gemeinsamen Feind ein. Aber natürlich hatte Hitler auch finanzielle Motive beim Schreiben seines Buches, denn er benötigte dringend Geld für die Bezahlung seiner Anwaltskosten.
Hitler verfasste 1928 eine Fortsetzung zu „Mein Kampf“, die allerdings nur als Manuskript vorliegt und zu seinen Lebzeiten nie veröffentlicht wurde. In diesem Buch, das heute als Hitlers Zweites Buch bekannt ist, befasste sich Hitler mit teils neuen Themen bzw. Thesen.

3. Wie groß war die Auflage?
Hitlers Buch war bei seiner ersten Erscheinung kein großer Erfolg. Die Startauflage des ersten Bandes Mitte Juli 1925 betrug 10.000 Stück und war binnen eines halben Jahres ausverkauft. Die zweite Auflage umfasste 8000 Stück, die aber erst Ende 1928 abverkauft waren. Auch der zweite Band war zunächst kein Bestseller: Die ersten 10.000 Exemplare reichten bis weit ins Jahr 1929 hinein, erst dann wurde eine zweite Auflage mit 3000 Exemplaren nachgedruckt.

Erst die einbändige Volksausgabe, die am 7. Mai 1930 erschien und zu einem Drittel des vorherigen Preises angeboten wurde, ließ die Verkaufszahlen in die Höhe schießen. Im gesamten Jahr 1930 wurden 54.000 Exemplare von “Mein Kampf” abgesetzt, zu 90 Prozent von der neuen Volksausgabe. Bis Anfang 1933 stieg die abgesetzte Gesamtauflage auf 225.000 Stück.

Doch erst mit Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 kam der ganz große Durchbruch. Im ganzen Jahr 1933 wurden über 1 Million Exemplare verkauft. Sogar eine Ausgabe in Blindenschrift wurde herausgebracht. Ab 1936 bekamen viele Brautpaare auf dem Standesamt an Stelle einer Bibel eine Ausgabe von „Mein Kampf“ geschenkt.  1938 betrug der Gesamtabsatz vier Millionen Stück, und er stieg bis Ende 1944 auf 12,4 Millionen. Damit ist “Mein Kampf” bis heute das mit Abstand bestverkaufte Autorenbuch in deutscher Sprache.

Hitler im Gefängnis Landsberg. Dort verfasste er den ersten Band seines Buchs "Mein Kampf".

Hitler im Gefängnis Landsberg. Dort verfasste er den ersten Band seines Buchs “Mein Kampf”.

4. Was verdiente Hitler mit “Mein Kampf”?
Da der Franz-Eher-Verlag der NSDAP gehörte, hatte sich Hitler sehr gute Tantiemen zusichern lassen und kassierte zudem einen großen Vorschuss. Da Hitler außerdem seit 1935 von der Steuerpflicht befreit worden war, dürfte er mit dem Buch „Mein Kampf“ bis 1945 ungefähr zwölf Millionen Reichsmark verdient haben. Zu heutiger Zeit wäre dies ungefähr eine Kaufkraft von 100 Millionen Euro.

5. “Mein Kampf” – ein ungelesenes Buch?
Vor allem in der Nachkriegszeit wurde häufig behauptet, dass „Mein Kampf“ in vielen Haushalten zwar vorhanden war, aber ungelesen und eingestaubt im Bücherregal gestanden habe. Mit diesen Aussagen wollte man sich in erster Linie von der Ideologie des Nationalsozialismus distanzieren. Tatsächlich ergaben aber zwei Umfragen der US-Militärregierung, die 1946/47 repräsentativ durchgeführt wurden, dass etwa jeder fünfte erwachsene Deutsche „Mein Kampf“ ganz oder zu großen Teilen gelesen habe. Da man 1946 keinen Vorteil gehabt haben dürfte, wenn man bei einer solchen Umfrage falsche Angaben macht, kann man die Angaben für glaubhaft halten.

6. Was wurde aus “Mein Kampf” zur Realität?
Hitlers Politik war geprägt vom Antisemitismus und vom Kampf um neuen Lebensraum. Beide Themen spielen in Hitlers Buch eine zentrale Rolle. In anderen Punkten hingegen verstieß Hitler gegen entsprechende Passagen aus “Mein Kampf”, etwa was die Außenpolitik angeht.

Doch war auch der Holocaust in „Mein Kampf“ vorhersehbar? Folgende Passage wurde vielfach als Andeutung auf die Ereignisse in Ausschwitz und anderen Konzentrationslagern gewertet: “Hätte man zu Kriegsbeginn und während des Krieges einmal 12.000 oder 15.000 dieser hebräischen Volksverderber so unter Giftgas gehalten, wie Hunderttausende unserer aller besten deutschen Arbeiter aus allen Schichten und Berufen es im Felde erdulden mussten, dann wäre das Millionenopfer der Front nicht vergeblich gewesen.”

Historiker sind sich heute weitestgehend einig, dass “Mein Kampf” bei der Massenmordmethode der Vergasung keine Rolle spielte. Ein eindeutiger schriftlicher Befehl Hitlers zur Ermordung aller Juden im deutschen Einflussbereich wurde bisher nicht gefunden und wahrscheinlich gab es keine derartige förmliche Anordnung. Auf mündliche Führerbefehle zur Judenvernichtung nehmen jedoch Briefe und Anordnungen hoher NS-Führer mehrfach Bezug. Diese Befehle waren aber offenbar meist stark verklausuliert. Doch auch wenn Hitler mit der technischen Umsetzung des Holocausts nichts zu tun hatte, so konnten sich seine Untergebenen jedoch sicher sein, dass Hitler möglichst alle Juden tot wissen wollte. Und so wurde dieser Wunsch auch ohne Befehl und genaue Kenntnis Hitlers in Bezug auf die Methoden in die Tat umgesetzt.

Winston Churchill schrieb später in seinem Werk „Der Zweite Weltkrieg“ über das Hitler-Buch, es sei „schwülstig, langatmig und formlos“. Dennoch hätten es Politiker und Militärs „sorgfältiger studieren“ sollen, womöglich wäre der Welt dann vieles erspart geblieben.

7. Warum war „Mein Kampf“ bis heute verboten?
Die Antwort wird viele überraschen, aber das Buch „Mein Kampf“ war nie verboten und stand nicht auf dem Index. Der Bundesgerichtshof entschied in einem Urteil von 1979, dass weder der Besitz, noch der Kauf oder Verkauf antiquarischer Exemplare des Buches in Deutschland nicht strafbar sind. Da das Buch älter ist als die Bundesrepublik selber, kann es sich daher als „vorkonstitutionelle“ Schrift nicht gegen ihre Verfassungs- und Rechtsordnung richten. Verboten hingegen war der Nachdruck der Hetzschrift. Dies lag am Urheberrecht, das seit Kriegsende beim Freistaat Bayern liegt und – wie bei Druckwerken üblich – 70 Jahre nach dem Tod des Autors erlischt.

8. Wer bringt die Neuauflage jetzt raus?
Die Neuauflage wird vom Münchner Institut für Zeitgeschichte herausgegeben. Der Tübinger Geschichtsprofessors Christian Hartmann hat gemeinsam mit einer Gruppe von Wissenschaftlern seit 2009 eine sogenannte historisch-kritische Ausgabe erarbeitet. Die Neuauflage beinhaltet neben dem Originaltext also über 3700 Kommentare, Einordnungen und Anmerkungen. Die Wissenschaftler versuchen auf diese Weise darzustellen, wie Hitlers Thesen in „Mein Kampf“ zur grausamen Realität werden konnten. Das Buch umfasst 2000 Seiten, kostet 59 Euro und erscheint in einer Auflage von 4000 Exemplaren.

9. Wie gefährlich ist “Mein Kampf” heute?
Der Mythos um das Buch „Mein Kampf“ ist wahrscheinlich gefährlicher als das Buch selbst. Gerade deshalb ist es wichtig und richtig, dass nun eine wissenschaftlich kommentierte Fassung erscheint. Der deutsch-israelische Historiker und Experte für die Zeit des Nationalsozialismus Moshe Zimmermann erklärte in einem Interview mit der NWZ: „Tatsache ist, dass die Rechtsradikalen in Deutschland kaum etwas mit dem Text anfangen können – weil er nicht aktuell ist, weil er langweilig ist. Das bedeutet, dass die Gefahr nicht besteht, die man in der Öffentlichkeit aus Ignoranz erwartet. Man kann hier und dort Sätze aus dem Text benutzen, aber dann ist es egal, ob man sie aus „Mein Kampf“ oder aus anderen Texten von Hitler nimmt.“

Auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, begrüßt die Neuauflage des Buches. “Ich kann mir gut vorstellen, dass diese kritisch kommentierte Auflage einer Aufklärung dient, und dass sie einen gewissen Mythos, der um dieses Buch herrscht, aufzuklären vermag”. Sie könne zeigen, mit welchen völlig falschen und skurrilen Theorien und Thesen Hitler gearbeitet habe.

Verbote machen eine Sache erst interessant. Dies gilt nicht zuletzt auch für „Mein Kampf“. Deshalb erscheint gerade in unserer heutigen Zeit eine Aufklärung wichtiger und sinnvoller zu sein als ein Verbot.

Linktipp: ARD Dokumentation Countdown zu einem Tabubruch – “Mein Kampf” erscheint

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.