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“Mit einem Tempolimit schafft man keine Arbeitsplätze.”

Silvia Breher ist seit 2017 Bundestagsabgeordnete und seit 2019 stellv. Bundesvorsitzende der CDU. Bei ihrem Besuch am LSG stellte sie sich in einem Interview unseren Fragen zu Karriere von Frauen, Macht und Geld in der Politik, wie die CDU unseren Planeten vor dem Klimawandel retten will, was sie von Hans Georg Maaßen und Tofu-Würsten hält und vielen weiteren interessanten Themen.

laurentinews.de: Warum haben Sie sich heute ausgerechnet das LSG für Ihren Besuch ausgesucht?

Silvia Breher: Ich wollte hier immer schon mal hin und war tatsächlich noch nie da. Und da ich gerne mal in den Nordkreis kommen wollte, habe ich einfach mal angefragt.

Unser Namenspatron, Laurentius Siemer, hat 1945 am ersten Parteiprogramm der CDU mitgewirkt, den Kölner Leitsätzen. Er wünschte sich eine Christlich Sozialistische Union und die Versöhnung von des Christentum mit dem Sozialismus. Hätte ein Laurentius Siemer in der heutigen CDU noch einen Platz?

Bestimmt. Die Zitate, die ich von ihm gelesen habe, haben sicherlich auch heute noch Gültigkeit, vor allem in Hinblick darauf, dass die Jugend darauf ausgerichtet sein sollte, europäisch zu denken. Das ist immer noch brandaktuell.

Sie engagieren sich für die Gleichstellung von Frauen. Hatten Sie es als Frau schwerer in ihrer Partei Karriere zu machen als ihre männlichen Kollegen?

Nein, tatsächlich nicht. Ich musste mich vor Ort gegen drei andere Männer durchsetzen, um Kandidatin zu werden. Aber das ist ja der Umkehrschluss: Da wo wenig Frauen sind, gibt es ja eher eine überproportionale Berücksichtigung von Frauen. In diesem Fall profitiere ich davon, dass ich eine von wenigen Frauen bin. Aber ich habe auch bei meinen beruflichen Tätigkeiten nie gemerkt, dass ich als Frau weniger wert oder weniger wichtig bin. Auch zu Hause war das nie ein Thema, was vielleicht auch daran liegt, dass ich keinen Bruder habe.

Wie stark muss der Wunsch nach Macht und Einfluss ausgeprägt sein, um erfolgreich in der Politik zu sein?

Ich glaube, man muss was zu sagen haben. Nicht, weil man irgendwer ist, sondern weil man was zu sagen hat und weil man eine Meinung hat. Es hilft schon, wenn man seine Meinung auch argumentativ überzeugend vertreten kann. Ob das was mit Machthunger zu tun hat, habe ich mich letztens auch gefragt. Ich habe zugunsten einer anderen Kollegin in Niedersachsen auf den Listenplatz 1 verzichtet. Ein Journalist in Berlin sagte dann, ich sei ja nicht machthungrig. Aber ich denke, dass eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ich brauche den Listenplatz nicht und werde hoffentlich direkt gewählt und die Kollegin kommt mit dem Listenplatz ziemlich sicher in den Deutschen Bundestag. Also aus meine Sicht habe ich in diesem Fall alles richtig gemacht gegen die anderen Männer.

Kann man in der Politik viel Geld verdienen?

Nein. In der Wirtschaft schon, aber nicht in der Politik. Was unsere Minister im Jahr verdienen, das bekommen qualifizierte Kräfte in der freien Wirtschaft eher in der Woche als in einem Monat. Es ist ein gut bezahlter Job, allerdings kann man nicht sagen „Wegen des Geldes gehe ich in die Politik“.

Silvia Breher im Gespräch mit unserer Redaktion.

Auch Sie haben einen Facebookauftritt. Viele Politiker, sowohl auf kommunaler als auch auf Landes- und Bundesebene, berichten von Anfeindungen und Hass im Netz. Wie erleben Sie das und wie gehen Sie damit um?

Es geht bei mir noch tatsächlich. Es ist bisher eher positiv besetzt. Sobald ich aber einen Bezug zu den anderen Bundeskollegen habe und ein bundespolitisches Thema mehr aufhänge, kommen immer häufiger auch Leute, bei denen ich denke, dass die nur stänkern in ihrem Leben und sich nicht wirklich mit Themen auseinandersetzen, sondern nur “aggro” sind.

Die großen Themen unserer Zeit und auch der Zukunft sind der Klimawandel, die Zerstörung unserer Umwelt und der Umgang mit Ressourcen. Dabei spielt auch die Landwirtschaft eine große Rolle. Wie kann die Landwirtschaft nachhaltiger und auch tierfreundlicher werden?

Die Landwirtschaft in Deutschland ist sowohl was Umwelt, Klima und Tierwohl angeht sicherlich weltweit führend und hat einen sehr hohen Standard. Wir haben aber zu den gesellschaftlichen Forderungen nach mehr Tierwohl, mehr Umwelt- und Klimaschutz die gegenteilige Bereitschaft der Kunden an der Ladenkasse. Wir haben die Discounter und der Deutsche hat schon heute die Möglichkeit Bio zu kaufen oder andere gelabelte Produkte mit einem Mehrwert, z. B. mehr Tierwohl, er tut es aber nur in einem ganz, ganz kleinen Maße. Es geht zu Lasten der Landwirtschaft, wenn der Verbraucher mehr Tierwohl will, es aber an der Ladenkasse nicht bezahlt. Die landwirtschaftlichen Betriebe habe an den Preissteigerungen keinen Anteil und das müssen wir tatsächlich verändern. Unsere Landwirtschaft kann alles und unsere Landwirte wollen auch, aber wir müssen sie dafür auch bezahlen. Für sie ist das ja kein Hobby, sondern ihr Beruf und davon müssen sie und ihre Familien leben.

In Ihrer Partei gibt es einige Kolleg*innen, die selber Landwirtschaft betreiben. Frau Grotelüschen war viele Jahre in der Geschäftsführung einer der größten Mastputen Brütereien, Herr Röring und Herr Rief betreiben eine Schweinemast. Auch Sie selber kommen aus einer Landwirtsfamilie. Kommt es da nicht zwangsläufig zu Interessenkonflikten, wenn es um strengere Tierschutzauflagen und notwendige Reformen in der Landwirtschaft geht?

Ich sehe das tatsächlich genau andersherum. Wir brauchen eine gewissen Expertise. Deswegen bin ich um alle Kollegen dankbar, die ein bisschen Knowhow mitbringen, was diesen Fachbereich angeht, weil er so speziell ist. Und wir können Dinge nur dann verändern, wenn wir es mit der Branche machen und dafür brauchen wir eine enge Verknüpfung. Ich selber wurde zwar auch auf einem Hof geboren, aber der Betrieb ist schon seit vielen Jahren verpachtet. Ich selber mache keine Landwirtschaft und habe es auch nicht gelernt.

CDU-Chef Laschet sagte der Bild am Sonntag. “70 Euro mehr für einen Mallorca-Flug können sich Besserverdienende locker leisten, für so manche Familie aber kann das den Traum vom Sommerurlaub beenden.” Auch ein Tempolimit lehnt Herr Laschet ab.
Wie will man im Jahr 2050 überzeugend erklären, dass Mallorca-Urlaub und 200km/h auf der Autobahn wichtiger waren, als das Klima unseres Planeten?

Wir haben eine andere Herangehensweise innerhalb der CDU. Es geht nicht darum etwas zu verbieten, sondern die Klimaziele durch Innovationen zu erreichen. Es geht also nicht um ein Tempolimit oder die Verteuerung eines Mallorca-Fluges, sondern um durch eine CO2 Bepreisung alternative Energien lohnenswerter zu machen. Die Wirtschaft muss in die Lage versetzt werden, auf alternative Energien umzustellen und dann klimaneutral zu werden. Wir wollen in der CDU bis 2045 klimaneutral werden und haben unsere Ziele bis 2030 auch noch mal nachgeschärft, aber der Weg, den wir dorthin gehen wollen, ist unterschiedlich.

Silvia Breher wuchs auf einem Bauernhof in Lindern auf. Nach ihrem Abitur studierte sie Rechtswissenschaft an der Universität Osnabrück. Ende 2000 begann Breher ihre Tätigkeit als selbstständige Rechtsanwältin  Von 2011 bis 2017 war sie Geschäftsführerin des Kreislandvolkverbandes Vechta, der lokalen Vertretung der Landwirte. Seit 2017 ist sie Bundestagsabgeordnete für die CDU.

Was machen Sie in ihrem Alltag, um umweltbewusster zu leben?

Das ist eine gute Frage. Ich würde gerne weniger Auto fahren, es geht aber nicht, weil ich meine Kinder ständig durch die Gegend fahren muss. Das ist der Nachteil am ländlichen Raum. Wenn ich nach Berlin pendel, dann nutze ich die Bahn, aber coronabedingt nutze ich momentan eher auch das Auto. Wir versuchen Lebensmittel wirklich zu benutzen und nicht wegzuschmeißen. Wir trinken auch das Wasser aus dem Wasserhahn und kaufen keine PET Flaschen. Mein Sohn hat sich jetzt auch einen kleinen Gemüsegarten angelegt.  Meine Kinder sollen natürlich auch sehen, wo die Lebensmittel herkommen und dass das, was man isst, eben nicht die lila Kuh aus der Werbung war, sondern ein Tier. Wertschätzung für das was man hat, ist die Grundlage von allem. Für den Wahlkampf haben wir jetzt auch ein E-Auto, was auch die Kinder ziemlich spannend finden.

Am 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie, hisste die CDU eine Regenbogenflagge vor der Parteizentrale und CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak twitterte, dass man sich entschieden gegen Diskriminierung stellen würde. Zwei Tage später stimmten 229 Unionsabgeordnete – unter anderem auch Sie – gegen die Aufhebung des Transsexuellengesetzes, das viele Betroffene nicht nur als teuer und langwierig, sondern auch als entwürdigend und pathologisierend empfinden. Sind der Union schöne Symbole wichtiger als echter Einsatz?

Echten Einsatz für dieses Thema zeigen wir durch viele Dinge, die wir allein in dieser Legislatur auf den Weg gebracht haben, wie das Verbot der Therapie und viele andere Dinge auch. Das war allerdings ein Oppositionsantrag, sonst hätten wir es nicht abgelehnt. Wir machen unsere Politik mit unserem Koalitionspartner in unseren Schritten und unserer Geschwindigkeit. Aber wie die Argumentation zu diesem Thema nun genau war, kann ich so nicht sagen.

Aber ist es bei diesem Thema nicht wichtiger an die Menschen zu denken, die davon betroffen sind, als prinzipiell dagegen zu stimmen, weil es ein Antrag der Opposition war?

Das sind zwei verschiedene Dinge. Das Thema wird bei uns sehr ernst genommen und wir verfolgen es auch mit Nachdruck. Wir haben ja auch die LSU in unserer Partei und sind mit ihr immer in einem engen Austausch. Wir haben ja auch schon in dieser Legislatur einiges erreicht. Das einzige Thema, das noch offen ist, ist das Thema Adoptionen von Kindern, die in einer Ehe gleichgeschlechtlicher Partner geboren werden. Das wird hoffentlich noch gelöst und da wäre ich sicherlich lieber auch einen anderen Weg gegangen als meine Partei.

Woran liegt es, dass die CDU bei Jugendlichen nicht so beliebt ist? An den Inhalten, dem Personal oder dem Kommunikationsstil?

Das könnt ihr mir doch besser beantworten als ich. Das ist tendenziell immer so und noch nie anders gewesen, dass die jungen Leute anders wählen als ihre Eltern. Wenn man älter wird, eine Familie gründet und das eigene Grundstück plötzlich eine größere Bedeutung bekommt, wählt man wertkonservativer, obwohl man sich vielleicht vorher als Global Traveler gesehen hat. Am Ende hat es aber auch immer etwas mit Personen zu tun. In der Kommunikation haben wir in den letzten zwei Jahren alles auf Links gedreht. Aus dem alten Flaggschiff CDU ist die digitalste Partei geworden. Da sind wir auf einem sehr guten Weg. Am Ende geht es auch ein bisschen um Inhalte. In verschiedenen Phasen des Lebens setzt man verschiedene Schwerpunkte. Das ist auch völlig normal und richtig.

Wäre es für Sie vorstellbar, dass Wahlalter auf 16 Jahre abzusenken?

Auf der Bundesebene haben wir das schon oft diskutiert und aus verschiedenen Argumenten ist es so, dass wir beim Wahlalter 18 bleiben und das Wählen und die Verantwortung, die daraus erwächst, an die Volljährigkeit knüpfen. Es gibt natürlich auch die Gegenmeinung dazu, dass sogar jedes Kind ein Wahlrecht haben sollte, dass durch die Eltern wahrgenommen werden sollte. Aber wir bleiben auf Bundesebene beim Wahlalter 18.

Welche Schulnote würden Sie bisher dem Wahlkampf der CDU geben?

Der fängt ja gerade erst an und wir haben unser Wahlprogramm noch nicht mal vorgestellt. Wahlkampf ist für mich aber auch gar nicht die Zeit vor der Wahl, Wahlkampf ist der Job den ich jeden Tag mache. Was ich in den vier Jahren nicht gemacht habe, das brauche ich dann wenige Wochen vor der Wahl auch nicht mehr nachholen.

Der Politologe Albrecht von Lucke sagte vor Kurzem: „Wovon die Union in erster Linie profitiert, ist etwas anderes – nämlich die herrschende Stimmung im Lande. Die große Illusion der Grünen besteht in der Annahme, in der Mehrheitsgesellschaft gebe es einen Wunsch nach „Erneuerung“ – so die grüne Kernforderung. Doch nach über einem Jahr Corona-Krise sehnt sich die Mehrheit nach dem Gegenteil – nach Rückkehr zur ressourcenverschlingenden Vor-Corona-Normalität.“
Würde ein visionäres Wahlprogramm der CDU mehr schaden als nützen?


Nein, es geht um die Zukunft. Die liegt vor uns und wir müssen sie gestalten. Wir müssen die Herausforderungen der Zeit annehmen. Dazu gehört Klima und Umwelt ernst zu nehmen und unseren Planeten zu sichern. Es ist auch schon immer der Kern der CDU gewesen, schon mit Klaus Töpfer in früheren Zeiten. Diese Rückbesinnung wird jetzt auch sehr deutlich. Wir müssen unseren Staat auch schneller machen und die alten Verwaltungsstrukturen nicht nur digitalisieren, sondern auch wirklich verändern, schneller werden und auch die Transformation unserer gesamten Wirtschaft hinbekommen, von der Industriepolitik hin zu einer Industriepolitik inklusive Klima. Wir brauchen Industriearbeitsplätze und die müssen wir bewahren und darauf benötigen wir Antworten. Und mit einem Tempolimit habe ich noch keinen Arbeitsplatz gesichert.

Bitte vervollständigen Sie folgende Sätze:

Wenn ich eine Sache an Europa verändern könnte, dann wäre das, das Einstimmigkeitsprinzip nochmal zu überarbeiten, damit man auch zu abgewogeneren Entscheidungen kommen kann.

Eine Kanzlerin Baerbock wäre für Deutschland die schlechtere Wahl.

Wenn ich mir im Kabinett Laschet ein Ministerium aussuchen dürfte, dann nähme ich Landwirtschaft.

Den Gedanken, mit Hans Georg Maaßen eventuell bald in einer Fraktion zu sein, empfinde ich schwierig.

Wenn mein Kind sagt, dass es auf eine Fridays For Future Demo geht, sage ich „Nur nach der Schule“.

Mit den 1,5 Milliarden Euro, die Herr Scheuer und Herr Spahn für die gescheiterte Maut und defekte Masken ausgegeben haben, hätte ich lieber…es gibt keine defekten Masken, insofern kann ich den Satz nicht vervollständigen.   
(nachträgliche Anmerkung der Redaktion: Nach aktuellen Medienberichten (tagesschau.de / zeit.de / RND) gibt es noch immer grundsätzlich Zweifel an der Qualität von Millionen vom Bund ausgelieferter Masken.)

Wenn mir beim nächsten Grillfest eine Tofuwurst statt Fleisch angeboten wird, dann werde ich das Steak essen.

Als Politikerin zuletzt gelogen habe ich nie.

In der letzten SMS, die ich von Angela Merkel bekommen habe, stand…Sie schreibt mir keine.

Wenn ich eines Tages Bundeskanzlerin bin, werde ich zuerst…(denkt lange nach)…das finde ich schwierig. Ich weiß es nicht.

Aber wenn Sie dann doch eines Tages Bundeskanzlerin wären, würden Sie uns dann auch noch ein exklusives Interview geben?
Ja, das ist versprochen.

Vielen Dank für das Interview.
Vielen Dank, das war toll. Ihr wart toll vorbereitet.

1 Kommentar

  1. Gut gemacht! Vielen Dank!

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