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Warum Katzen nie auf ihre Marmeladenseite fallen

Seit über einer Stunde sitze ich nun schon an meinem Physikreferat und ähnlich gleichmäßig wie das Klackern der Kugeln bei Newtons Wiege schießt mir die Frage durch den Kopf: Wozu brauche ich überhaupt Physik im Leben? Muss man mehr wissen, als dass alles runterfällt und der Strom aus einem Loch in der Wand kommt?

Neben  dem Problem mit meinem lästigen Physikreferat quält mich schon seit geraumer Zeit ein knurrender Magen. Als ich mir ein Toastbrot schmieren möchte, passiert mir ein Missgeschick und meine Toastbrotscheibe fällt vom Tisch. „ Na toll“, denke ich mir, „ausgerechnet auf die beschmierte Seite!“  Naja, wenigstens freut sich Schrödinger, meine Katze, darüber. Diese springt auch schon vom Stuhl, landet wie immer auf ihren Pfoten und rennt rüber zum Toast. Aber warum fällt ein Toast immer auf die beschmierte Seite und warum landet eine Katze immer auf ihren Pfoten? Und was würde eigentlich passieren, wenn ich meiner Katze Marmelade oder ähnliches auf den Rücken schmiere?
Es entsteht ein Paradoxon: Sowohl die Marmelade, als auch die Füße der Katze würden Richtung Boden streben. Die Katze müsste sich also mit zunehmender Geschwindigkeit um ihre eigene Achse drehen. Wenn dies funktionieren würde, könnte man mit Katzengeneratoren günstigen Strom produzieren.

katze toast

Die Lösung aller Energieprobleme? Der Katzengenerator in der Theorie.

Aber der Reihe nach: Einige erklären das Toastbrot Phänomen mit Murphys Gesetz. Dies besagt, dass alles, was schiefgehen kann auch schiefgehen wird. Aber es gibt natürlich auch eine physikalische Erklärung: Der Toast liegt in der Regel waagerecht auf dem Tisch und wird dann unabsichtlich über die Tischkante geschoben. Dabei bekommt das Brot einen Rotationsimpuls, der aber bei einer Tischhöhe von ca. 75cm gar nicht ausreicht, um auf der unbestrichenen Seite zu landen. Der Toast hat schlicht und einfach zu wenig Zeit, um sich komplett zu drehen und landet deswegen meistens auf der Marmeladenseite. Man bräuchte schon einen zwei Meter hohen Esstisch, damit der Toast eine ganze Umdrehung schafft. Auch mit dem Fallmechanismus der Katzen haben sich Forscher lange Zeit beschäftigt: Fällt eine Katze mit dem Rücken voran, dreht sie den vorderen Körperteil gegen den Boden, dann — in die gleiche Richtung — den hinteren. Durch einen Wechsel der Beinstellung dazwischen stoßen sich die beiden Körperteile dabei voneinander ab. Ein ähnliches  Prinzip nutzen Eiskunstläufer bei einer Pirouette, die sich schnell drehen, wenn sie die Arme an den Körper legen, und langsam, wenn sie sie strecken. Die Katze macht einfach beides gleichzeitig.
Und was passiert nun mit der Katze, wenn sie Marmelade auf dem Rücken hat? Auch das wurde schon ausprobiert, denn es gibt wohl wirklich Leute, die ihrer Katze Marmelade auf den Rücken geschmiert und sie dann vom Tisch geworfen haben. Aber alle bisherigen Versuche, einen Katzengenerator zu konstruieren, sind auf recht unspektakuläre Weise gescheitert: Die meisten Katzen haben sich die Marmelade einfach vom Rücken geleckt.

Nicht kleinzukriegen: Papierkugeln sind fast immer gleich groß. (Quelle: flickr.com/stevevdp3)

Nicht kleinzukriegen: Papierkugeln sind fast immer gleich groß. (Quelle: flickr.com/stevevdp3)

Als ich wieder an meinem Schreibtisch sitze, knülle ich frustriert ein Blatt Papier zusammen und werfe es weg. Es landet neben einem Berg aus anderen Papierkugeln, die auch mal der Anfang eines Physikreferates waren. Dabei fällt mir auf, dass alle Kugeln ungefähr gleich groß sind. Ich nehme noch ein weiteres Blatt, knülle auch dies zusammen und versuche die Kugel so klein wie möglich zu machen. Sie ist zwar kleiner als die anderen Kugeln, aber sie wird nicht so klein, wie ich es mir erhofft hatte. Woran das liegt? Ich könnte so stark wie Hulk sein, trotzdem würde ich es nicht schaffen, die Kugel auf die Größe einer Murmel zusammenzupressen. Wer das nicht glaubt, der kann diesen Versuch gerne einmal selber mit einem Blatt DIN A 4 Papier ausprobieren. Egal wie stark man auch drückt, 75% der Papierkugel sind nach wie vor Luft. In Experimenten haben selbst Maschinen mit einem Druck von 1000 Bar es nicht geschafft, Papierkugeln so klein zu kriegen. Forscher am James Franck Institute fanden bei Experimenten mit Papierkugeln heraus, dass beim Zerknüllen von Papier scharfkantige Knicke entstehen und dass die Energie, die beim Zerknüllen aufgewendet wird, zu 80% in diesen Knicken eingeschlossen ist. Sobald man die Hand wieder öffnet, wird die Energie aus diesen Knicken wie bei Federn wieder abgegeben und das Blatt wird sich wieder ein Stück weit auffalten. Um den Durchmesser eines zerknüllten Papierballs zu halbieren, muss man eine Kraft aufwenden, die 64-mal größer ist als die, die notwendig war, um den Ball auf sein anfängliches Zerknüllungsniveau zu bringen. Wahrscheinlich werden jetzt viele fragen, ob Wissenschaftler nichts Besseres zu tun haben, als sich über zerknülltes Papier den Kopf zu zerbrechen. Tatsächlich profitieren aber auch Wissenschaftler in anderen Bereichen von diesen Erkenntnissen, z. B. beim Verhalten von Stoßstangen bei Kollisionen, bei den roten Blutkörperchen, wenn sie sich durch enge Kapillaren zwängen oder bei Faltungen gigantischer Bergzüge. Genau betrachtet schauen sie alle wie zerknülltes Papier aus.

Autsch: Der Griff zur Türklinke wird bei falscher Ladung schmerzhaft. (Quelle: flickr.com/Brave Heart)

Autsch: Der Griff zur Türklinke wird bei falscher Ladung schmerzhaft. (Quelle: flickr.com/Brave Heart)

Nachdem ich dummerweise noch ein paar weitere Versuche gemacht habe, (ja ich habe gedacht, dass ich es vielleicht doch schaffe die Kugel ganz klein zu knüllen), brauche ich neues Papier und schlendere, über meinen Teppich rüber zur Tür. Als ich die Tür öffnen will, bekomme ich einen Stromschlag. „Autsch“, fluche ich und schüttle meine Hand. Die unangenehme Erfahrung einen Stromschlag an Türklinken zu bekommen, hat wohl jeder schon einmal gemacht. Unser Körper besitzt eine große Anzahl sowohl positiver als auch negativer Ladungen. Da diese Ladungen sich gegenseitig neutralisieren, merken wir nichts davon. Wenn man einen Körper aufladen möchte, muss man also entweder Ladungen auf ihn übertragen oder von ihm wegnehmen. Wenn man mit Gummisohlen über einen Teppich läuft und diesen aneinander reibt, dann ist der Kunststoff für die Elektronen attraktiver als die Fasern des Teppichs.
Physiker sprechen hier von der Elektroaffinität. Die Sohlen nehmen Elektronen vom Teppichboden auf und mit der Zeit lädt sich der Körper negativ auf. Die Gummisohle kann diese aber beim nächsten Schritt nicht einfach wieder an de Teppich zurückgeben, sondern muss solange „warten“, bis jemand einen Leiter berührt, in diesem Fall die Türklinke. Dann kann sich die Sohle wieder entladen und ist neutral, aber dadurch, dass das so schnell geht, bekommen wir einen kleinen, schmerzhaften Stromschlag, der jedoch nicht gefährlich ist. Manche Teppichhersteller weben inzwischen kleine Metallfäden in ihre Teppiche. Hierdurch fließt der Strom ab und die Aufladung ist schwächer.  Eigentlich ist diese Aufladung jedoch unproblematisch, es sei denn, man arbeitet mit empfindlichen elektrischen Teilen, z.B. mit Computern. Dann sollte man besser gut geerdet bleiben.

Kein geeigneter Ort für Musik: Auf dem Mond herrscht absolute Stille. (Quelle:flickr.com/jugbo)

Kein geeigneter Ort für Musik: Auf dem Mond herrscht absolute Stille. (Quelle:flickr.com/jugbo)

Als ich mich elektrostatisch wieder vollkommen neutralisiert an meinen Schreibtisch setze, reißt mich ein sonores Wummern aus der Konzentration. Mein Bruder hört in seinem Zimmer Musik in voller Lautstärke. Empört springe ich auf, renne in sein Zimmer und fordere ihn auf, seine Musik leiser zu stellen. Missmutig folgt er meiner Aufforderung. „Am liebsten würd‘ ich ihn auf den Mond schießen“, murmele ich auf dem Weg zurück in mein Zimmer. Zumindest was die Belästigung durch Lärm angeht, wäre dies der ideale Platz für meinen Bruder, denn auf dem Mond ist es vollkommen still. Dies liegt an der Tatsache, dass sich Schallwellen nur in einem Medium wie Luft ausbreiten. Verändert man das Medium, dann verändert sich auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit und der Ton. Dies erklärt die Micky Maus ähnliche Stimme wenn man das leichte Edelgas Helium einatmet. Auf dem Mond gibt es aber weder Luft noch andere Gase. Es herrscht ein Vakuum und die Schallwellen werden nicht mehr übertragen. Dies bedeutet natürlich auch, dass die Geräusche der Laserwaffen in Star Wars Filmen physikalisch gesehen unmöglich sind. Aber Hollywood hat sich noch nie sonderlich um physikalische Gesetze geschert. Und auch der Urknall, die Entstehung unseres Universums, war vermutlich leiser als das Ploppen einer Bierflasche.

Physik die Spaß macht: Thermodynamik in der Praxis. (Quelle: flickr.com/Raul Lieberwirth)

Physik die Spaß macht: Thermodynamik in der Praxis. (Quelle: flickr.com/Raul Lieberwirth)

Da ich nicht so richtig mit meinem Physikreferat vorankomme, entschließe ich mich, die Arbeit aufzuschieben und mich mit meiner Freundin im Café zu treffen. Als ich eine halbe Stunde später das Café betrete, muss ich feststellen, dass sie von ihrem Freund begleitet wird. Seit Wochen sind die beiden unzertrennlich. „Hallo, schön dass Du da bist. Ich habe Jens mitgebracht“, begrüßt sie mich. „Ja, das sehe ich. Zwischen euch scheint es eine sehr große Anziehungskraft zu geben“, lästere ich zurück. Zumindest  physikalisch betrachtet liege ich damit aber falsch. Zwar ziehen sich alle Massen nach dem Gravitationsgesetz an, jedoch ist die Anziehungskraft zwischen Menschen im Vergleich zur Gravitation der Erde verschwindend gering.  Warum die beiden dann doch nicht voneinander lassen können, liegt wohl eher an der Thermodynamik des Kuschelns. Ohne die Wärmelehre würde Kuscheln wenig Spaß machen. Jedes kuschelnde Wesen besteht aus Atomen bzw. Molekülen und verfügt über eine bestimmte Temperatur. Bewegen sich die Moleküle schneller, dann steigt die Temperatur, bewegen sie sich langsamer, dann sinkt sie. Beim Streicheln bringen wir die Moleküle auf der Oberfläche der Haut zusätzlich in Bewegung. Die Temperatur beider Oberflächen erhöht sich und die Wärme gelangt in das Innere unseres Körpers und sorgt für ein Wohlbefinden. Ein Kissen oder ein Teddy hat zwar keine eigene Körperwärme, aber durch die unebene Struktur hat es eine vergrößerte Oberfläche und sorgt damit auch für Wärme. Metall ist hingegen wenig kuschlig, denn Metall hat eine große Wärmeleitfähigkeit. Wir empfinden es deshalb als kalt auf unserer Haut. Vielleicht ein Grund, warum der Terminator wohl immer Single bleibt.

Vorsicht heiß: Milchschaum hält den Kaffee heiß. Vorsicht heiß: Milchschaum hält den Kaffee heiß. (Quelle: flickr.com/Roswitha Siedelberg)

Vorsicht heiß: Milchschaum hält den Kaffee heiß. (Quelle: flickr.com/Roswitha Siedelberg)

Während meine Freundin in romantischen Gefühlen schwelgt, genieße ich meinen heißen Milchkaffee. Die Milchschaumhaube dient dabei nicht nur zur optischen Verschönerung, sie sorgt auch dafür, dass der Kaffee länger heiß bleibt. Wenn man aus einer breiten Tasse Kaffee trinkt, dann kühlt der Kaffee schneller aus. Denn durch größere Oberfläche vollzieht sich der Wärmeaustausch mit der Umgebung schneller. Die Wasserteilchen dampfen von der Oberfläche leichter ab. Dabei wird dem Getränk Energie in Form von Wärme entzogen – und seine Temperatur sinkt. Eine Milchschaumhaube schützt jedoch davor wie ein Deckel aus Styropor: Die Luftbläschen im Milchschaum leiten die Wärme sehr schlecht. Der Kaffee bleibt also mit dieser Milchschaumisolierschicht deshalb deutlich länger heiß als ohne Milchschaum.

Als ich mich von meiner Freundin verabschiede ist es bereits Abend. Die Sonne geht unter und steht leuchtend rot am Horizont.   Als Kind hat mir meine Oma bei einem roten Himmel mal erklärt, dass dann die Engel im Himmel Kekse backen. Aber da Physiker nicht so sehr an backenden Himmelsbewohner glauben wollen, haben sie für die rote Sonne auch eine wissenschaftliche Erklärung gefunden.  Das Sonnenlicht besteht aus allen Spektralfarben und ihr Licht wird durch die Luftmoleküle unserer Erdatmosphäre abgelenkt.  Wenn die Sonne mittags direkt über uns steht, dann haben die Sonnenstrahlen nur einen sehr kurzen Weg in unser Auge. Das Licht wird nur wenig abgelenkt und erscheint deshalb weiß. Morgens und abends steht die Sonne näher am Horizont und die Strahlen haben einen längeren Weg durch unsere Atmosphäre. Die blauen Lichtstrahlen werden dabei so stark abgelenkt, dass sie gewissermaßen außer Sichtweite geraten. Übrig bleiben die roten und gelben Lichtstrahlen, die ein schönes Morgen- bzw. Abendrot an den Himmel zaubern.

Egal ob blau oder rot: Physik eröffnet uns neue Horizonte. (flickr.com/Sudarshan V)

Egal ob blau oder rot: Physik eröffnet uns neue Horizonte. (flickr.com/Sudarshan V)

Ich schwinge mich auf mein Fahrrad und trete schnell in die Pedalen. Nun wollt ihr wahrscheinlich wissen, warum ein Fahrrad nicht umkippt solange es fährt. Wieder so eine physikalische Frage. Wie mein Tag gezeigt hat, kann man vor der Physik nicht fliehen. Unser ganzer Alltag ist voller Physik. Viele Phänomene kann die Physik heute erklären, aber noch viel mehr Dinge kann sie noch nicht erklären. Mit jedem Fortschritt, jeder Erkenntnis öffnen sich neue Horizonte. Die Beantwortung einer Frage überschüttet uns förmlich mit einem Regen aus neuen Fragen. Physiker auf der ganzen Welt begreifen allmählich, dass der Aufbau unseres Universums ganz anders sein könnte als bislang angenommen. Und unsere Welt mit ihren alltäglichen Phänomenen ist nur ein Bruchteil von ihm. Alles begreifen werden wir wohl nie. Aber wie sagte Einstein: „Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt!“
Die Sache mit dem Fahrrad? Erkläre ich ein anderes Mal. Ich muss schließlich noch ein Physikreferat schreiben!

2 Kommentare

  1. Gratulation zum Gewinn des Spiegel Schülerzeitungspreis 🙂 Ich kenne die anderen Beiträge zwar nicht, aber dieser war definitiv unterhaltsam und voller Informationen.

    Dieser Satz hat mich zudem von Hocker gehauen “Ohne die Wärmelehre würde Kuscheln wenig Spaß machen”.

  2. Ich finde es nicht nur witzig, sondern vor allem richtig informativ! Ein klasse Artikel.

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