Das Saterland im 3. Reich
Aufgrund der Krisenjahre der Weimarer Republik(1929-1930) kam es am 30.01.1933 zur Machtergreifung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Folglich ernannte sich Adolf Hitler, Anführer der NSDAP, zum Reichskanzler. Dies war der Anfang der NS-Zeit, die mit dem 2. Weltkrieg endete. Doch wie lief diese Zeitspanne im Saterland ab? Was geschah während des 2. Weltkrieges?
Eroberungszug der Nationalsozialisten im Saterland
Am 29.05.1932 erreichte die NSDAP im Freistaat Oldenburg die erste absolute Mehrheit bei einer Landtagswahl, doch im Saterland hingegen blieb jene Partei bei weitem hinter dem Reichsdurchschnitt zurück. So wählten im Jahre 1933 nur 21,6% der Saterländer die Regierungspartei, denn die meisten Stimmen erhielt die katholische Zentrumspartei (fast 67% der Stimmen). Doch durch das Konkordat des Vatikans mit Hitler, sowie durch den Druck der SA auf die Zentrumspartei im Saterland und deren spätere Auflösung gewannen die Nationalsozialisten auch im Saterland immer mehr Stimmen und neue Mitgliedschaften hinzu, sodass kurze Zeit später beinahe die gesamte Bevölkerung des Saterlandes auf Seiten der Regierung stand.
Das Ende der Pressefreiheit
Mit dem “Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich” vom 31.03.1933 ließ Hitler beispielsweise den Oldenburger Landtag völlig entmachten. Ab dem Sommer 1933 waren Parteien, Presse und freie öffentliche Diskussion verboten worden. Es kam zur Schließung der Friesoyther Nachrichten, die einzige im Saterland erhältliche Zeitung. Ende des Jahres 1933 war das Deutsche Reich ein zentral regierter Einheitsstaat, in dem die Demokratie endgültig abgeschafft worden war. Die NSDAP versuchte dies mit positiven Veränderungen zu überdecken. So wurden im Saterland neue Straßen gebaut, ebenso entstand eine Entwässerungsanlage.
Durch das “Gesetz zur Vereinfachung und Verbilligung der öffentlichen Verwaltung” Mitte des Jahres 1933 erfolgte eine neue Zusammenlegung von Gemeinden und Amtsbezirken. Das Saterland, Barßel und Friesoythe gehörten nun dem Amtsbezirk Cloppenburg an. Hinzu kam, dass die Gemeinde Saterland aus den Dörfern Ramsloh, Scharrel und Neuscharrel bestand. Strücklingen hingegen bildete mit Barßel die Gemeinde Barßel. Gründe für die Umstrukturierungen waren vor allem Kosteneinsparungen, aber auch die teilweise ähnlichen Wirtschaftsstrukturen. Anfang des Jahres wurden die sogenannten Amtsbezirke, in die heute noch geläufigen Landkreise umgetauft.
Armut im Alltag
Aufgrund der Einstellung der Friesoyther Nachrichten war der Informationsfluss im Saterland stark eingeschränkt. Der Großteil der Bevölkerung hörte folglich den „Feindsender BBC“, um heimlich an Informationen jenseits der NS-Presse zu gelangen. Doch das Abhören feindlicher Sender war ein schwieriges Unterfangen, denn es war strikt verboten und wurde hart bestraft (z.B. mit Zuchthaus- oder sogar der Todesstrafe). Auch wenn heute immer wieder das Gerücht die Runde macht, dass während der NS-Zeit im Deutschen Reich kaum kriminelle Aktivitäten registriert worden seien, war dies im Saterland definitiv nicht der Fall, denn dort waren Diebstähle und verschiedene kleinere Delikte nicht selten. Hauptsächlich wurden Lebensmittel geklaut, weil die Verhältnisse im Saterland teilweise recht ärmlich waren. Des Weiteren ist zu vermerken, dass die letzten Juden das Saterland wahrscheinlich schon vor 1933 verlassen hatten. Dies bestätigte eine Anfrage der GeStaPo aus dem Jahre 1934, der wiederum „keine Juden und jüdische Mischlinge” gemeldet werden. Folglich war der Antisemitismus im Saterland nicht so stark verbreitet, wie in anderen Teilen des Deutschen Reiches. Die Schützenvereine in Ramsloh und Scharrel wurden von den Nationalsozialisten als Wehrmachtertüchtigung angesehen und auch dementsprechend genutzt. Wehrmachtsertüchtigungen waren im Prinzip Übungen für den Krieg, in denen folglich auch das Töten von Feinden erlernt wurde.
Doch trotz alledem herrschte in der Gemeinde Saterland und auch in der Gemeinde Barßel auch schon lange vor dem 2.Weltkrieg eine große Armut seitens der Bevölkerung, welche sich im Laufe des Krieges teilweise dramatisch verschlechterte. Folglich gab beispielsweise die Gemeinde Gutscheine für Bettler aus, die je zwei Pfennig wert und nur gegen Lebensmittel eintauschbar waren. Um gegen die Not der Dorfbevölkerung vorzugeben, führten die Nationalsozialisten die sogenannten „NS-Schwestern“ ein, die die Dorfbevölkerung unterstützen sollten und durch Spenden finanziert wurden. Diese Spenden waren allerdings als Zwangsabgaben anzusehen, denn wer nicht spendete, wurde von den Nationalsozialisten als Regierungsgegner angesehen und musste mit schwerwiegenden Konsequenzen rechnen.
Die Saterfriesen als arisches Idealbild
Die Landestracht gab es aufgrund der Armut und der Gleichschaltung nur noch vereinzelt. Da die Friesen als besonders rassenreiner Stamm galten und die Saterländer als Ur-Ostfriesen angesehen wurden, wurden jene von den Nationalsozialisten sehr geschätzt (“Die Saterländerin hat am längsten den altgermanischen Typus bewahrt. Das Gesicht ist edel und von frischer Farbe. Die Augen sind hellblau, die Haare hellblond oder hellgelb.”, aus einer Zeitung Anfang der 1930er Jahre). Trotz dieser Umstände wurden 1935 zwei Saterländer versehentlich verhaftet, weil sie sich auf Saterfriesisch unterhielten, was als eine Geheimsprache von englischen Spionen vermutet wurde. Doch dieses Versehen klärte sich wenig später wieder auf.
Schule unter dem Hakenkreuz
Im Saterland wurden, wie auch im gesamten Deutschen Reich, alle nicht-nationalsozialistisch gesinnte Lehrer entlassen, ebenso wurden Kinder & Jugendliche in der Schule bereits auf den Nationalsozialismus gedrillt und im Jungvolk schon militärisch angehaucht. In Ramsloh und Strücklingen mussten Schüler Fragebögen über den Familienstammbaum und die Aktivitäten der Familie ausfüllen, um eventuelle illegale Tätigkeiten der Eltern in Erfahrung zu bringen. Erst im April 1945 fiel an den Schulen im Saterland der Unterricht wegen der Kriegsereignisse aus.
Kampf ums Kreuz
Am 04.11.1936 kam es zum 1. Kreuzerlass (“Demgemäß ordnen wir an, dass künftig in Gebäuden des Staates, der Gemeinden und Gemeindeverbände kirchliche und andere religiöse Zeichen oben erwähnten und ähnlichen Charakters nicht mehr angebracht werden dürfen. Die bereits vorhandenen sind zu entfernen.”). Diese von Hitler veranlasste Gesetzgebung stieß besonders im christlich orientierten Landesteil Oldenburg auf heftigste Kritik, sodass bereits am 26.11.1936 ein weiterer Kreuzerlass folgte, der den ersten Erlass weitestgehend relativierte. Im Juni 1937 erschien der 3. und letzte Kreuzerlass, der beinhaltete, dass das Bild des Führers an den bevorzugten Plätzen im Klassenraum aufzuhängen sei. Diesem Gesetz hatte die Bevölkerung im Saterland nichts entgegenzusetzen, da weiterhin das Kreuz im Klassenraum gestattet wurde.
Arbeiten für das Reich
Durch das Reichsnährgesetz(1933) veränderten sich bestehenden Verhältnisse grundlegend. Im Saterland waren nun Erbhöfe vorzufinden und Arbeitssuchende zogen hierher. Trotz des Verkopplungsgesetzes(1938), welches Investitionen im Bereich Landwirtschaft vorsah, war die Landwirtschaft des Saterlandes in einem schlechten Zustand. Größtenteils musste die Bevölkerung, die von der Landwirtschaft lebte, Nebenerwerben (Honig und Torf) nachgehen. Dennoch entstanden neue Siedlungen im Saterland.
Durch die Eröffnung des Küstenkanal und die Hilfe des FAD (Freiwilliger Arbeitsdienst) bzw. des RAD (Reichsarbeitsdienst) erlebte das Saterland einen wirtschaftlichen Aufschwung. Der Reichsarbeitsdienst war eine Organisation, bei der jeder junge Mann sechs Monate lang zu einer sehr geringen Entschädigung im Dienste der Reichswehr arbeiten musste. Es war quasi eine der Wehrdienst vorgelagerte Arbeitspflicht. Arbeitslosigkeit war infolgedessen kaum noch vorzufinden und viele Betriebe gründeten sich. Es entstanden auch neue Verkehrsverbindungen sowie Marktplätze und dergleichen.
Der 2.Weltkrieg und seine Folgen
Wie auch in anderen Gegenden waren im Saterland circa 750 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter untergebracht, die meistens auf den Bauernhöfen arbeiteten und in eingezäunten Lagern untergebracht waren. Die Zäune und Stacheldrähte um die Lager seien aber bereits Mitte des Jahres 1940 entfernt worden und die ehemaligen Kriegsgefangenen wären als freie Zivilarbeiter tätig gewesen, heißt es in Untersuchungen der Vereinten Nationen nach Kriegsende. Ob diese Ergebnisse der Untersuchung jedoch immer zutrafen, lässt sich weder bestätigen noch widerlegen. Außerdem befand sich ein Konzentrationslager in Esterwegen. Das Lager wurde 1933 errichtet und diente bis 1936 als Konzentrationslager. Anschließend wurde der Standort bis Kriegsende als Strafgefangenenlager der Reichsjustizverwaltung genutzt. Auch seien bereits Mitte der 1930er Jahre etliche Vorbereitungen für den Fall von Luftangriffen im Saterland getroffen worden. Jeder Saterländer wusste genau, wohin er bei einem Fliegeralarm zu laufen hatte. Orte waren beispielsweise die Bunker an den Bahnhöfen und Gleisen im Saterland, aber auch die Schutzgräben im Moor. Auch weil beinahe eine ganze Generation Männer als Soldaten im Krieg war, entstand in Scharrel eine Frauenfeuerwehr, die von 1943 – 1945 aktiv gewesen ist. Außerdem testete die Firma Krupp ihre Bomben in der Nähe des Moorgutes in Ramsloh.
Das Saterland wurde erst in den letzten Kriegstagen zum Schlachtfeld. So fingen beispielsweise die Luftangriffe erst am 07.01.1945 an. Da die Alliierten sich aus Norden kommend bis zum Küstenkanal vorgekämpft hatten, wollte die Reichswehr unbedingt die andere Seite halten, um ein Übersetzen über den Kanal zu verhindern. Aus diesem Grund verschanzte sich zunächst eine große Zahl an Soldaten gemeinsam mit einigen Panzern im Saterland und verminte die gesamte Gegend. Die Bevölkerung versteckte sich unterdessen im Moor und wartete den finalen Kampf ab. Weil die Reichswehr die Situation als aussichtslos einstufte, zogen die deutschen Soldaten unverrichteter Dinge wieder ab und überließen das Saterland den Alliierten, die anfänglich aus Bedenken an einen Hinterhalt einen großen Teil Häuser in Scharrel vernichtete, dann jedoch, ohne der Bevölkerung Leid anzutun, der Reichswehr weiter folgte. So blieb dem Saterland eine totale Zerstörung erspart.
Ich will keine Erbsen zählen, aber auf einen kleinen, winzigen Fehler hinweisen:
Die Machtergreifung der NSDAP war nicht am 31.1.33, sondern am 30.1.33.
Wie gesagt, nur eine kleine Formalie, ansonsten ein sehr interessanter Artikel…
Das stimmt natürlich, wir haben es korrigiert. Danke für den Hinweis.
Sehr interessanter Artikel! Hab damals eine Jahresarbeit über das KZ Esterwegen geschrieben. Falls Interesse besteht….würde sie dem Archiv spenden…
Liebe Grüße aus Köln von einem Saterländer….
Ich finde keine Informationen ueber Barssel im 2. Weltkrieg. Wer kann mir sagen wo ich diese finde.
Henry Holwerda
Niederlande