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Slam-Poet Bas Böttcher – bloß nicht pädagogisch wertvoll

Als Mitbegründer der deutschsprachigen Slam-Poesie tourte Bas Böttcher schon durch Kanada, Großbritannien oder die USA. Nun machte er Halt im beschaulichen Saterland.  Im Interview verrät er uns, was einen wirklichen guten Slamtext ausmacht und wie man mit lästigem Lampenfieber umgeht.

Gerade ging es für Sie auf die Bühne. Haben Sie noch Lampenfieber vor Auftritten?

Ich sehe das eher als eine Art Bühnenadrenalin. Das Adrenalin ist ja eine natürliche Funktion des Körpers, damit man einfach reaktionsfähig ist. Deshalb sollte man sich vom Lampenfieber nicht nervös machen lassen, sondern man sollte gucken, dass man genau dieses Adrenalin in produktive, schlagfertige Bahnen lenkt.

Sie werden als der erste deutsche Slampoet bezeichnet. Wie fühlt sich das an, in einer Kunstform, die in unserer Gesellschaft einen regelrechten Hype erlebt?

Mit dieser Bezeichnung steigen auch die Erwartungen und es gibt im Show-Geschäft so einen Spruch der lautet: ,,Lower the expectations”, also: immer die Erwartungen niedrig halten. Und wenn man als der erste Slampoet bezeichnet wird und sich die Bewegung so rasant entwickelt hat, dann steigen nun mal die Erwartungen. Das ist ein Segen und ein Fluch zugleich. Denn je höher die Erwartungen sind, desto höher ist die Chance, sein Publikum zu enttäuschen.

Wie würden Sie einem Unwissenden Poetry-Slam beschreiben?

Da würde ich gerne Gauner zitieren: „Poetry Slam bringt der Poesie die Energie zurück, welche Sie beim Aufschreiben verloren hat.“

Wie schaffen Sie es, dass Ihnen seit Jahren nicht die Lust am Schreiben vergeht?

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man sich selbst nicht zu sehr unter Druck setzt. Sondern dass man es feiert, eine große Chance zu haben mit der Leidenschaft seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Alleine aus dieser Motivation heraus kommt man immer wieder an den Schreibtisch und macht etwas.

Woraus schöpfen Sie die Inspiration für neue Texte?

Inspiration kommt mit dem Blick für Details. Mann trifft jeden Tag tausende potenzielle Themen, man muss nur seinen Blick für diese schärfen. Sebastian23 beispielsweise schrieb einen Text über Fußböden und begann ihn mit: ,, Hütet euch vor den Böden, denn sie sind bereits unter uns!” Man merkt also dann, es ist alles nur eine Frage der Perspektive.

Was macht einen guten Slam Text aus?

Ich muss nach einem Text das Gefühl haben, um einen Gedanken reicher zu sein.

Ihre Texte sind voller Wortspielereien und stilistischer Mittel. Ist das Schreiben eher ein kreativer oder doch eher ein handwerklicher Prozess?

Das Schreiben selbst ist sehr handwerklich. Wobei, man müsste eigentlich sagen ,,mundwerklich”, denn ich spreche die Stücke beim Sagen immer vor mir her. Sie müssen schließlich einen Wortfluss und einen Rhythmus erzeugen. Aber im Ganzen ist es eine Technik, welche man nicht zu theoretisch betrachten sollte, denn sie lebt vom Machen und vom Spaß.

Welche Tipps würden Sie Menschen geben, die mit dem Poetry-Slamen anfangen wollen?

Man muss herausfinden, welcher Textstil am besten zu einem passt. Es gibt Geschichtenerzähler, Comedians, die Freestyler und die Poeten. Wenn man das weiß, erschafft man für sich selbst einen eigenen Stil, den auch Leute wiedererkennen.

Ihr Kollege Nico Semsrott machte kürzlich Schlagzeilen mit einem Text über die AfD. Wie politisch sind ihre Texte?

Was ich gut finde ist, dass er das Politische an seiner eigenen persönlichen Sicht festmacht.  So finde ich es richtig, denn Politik dreht sich nicht immer nur um Parteien und um das, was normalerweise als Politik bezeichnet wird, sondern Sie dreht sich genauso um unseren Alltag, um unser Leben. So gesehen sind meine Stücke vielleicht versteckt politisch.

Bas Böttcher im Interview

“Sprache stellt nur ein Spiegel unseres Lebens dar.” Bas Böttcher im Interview mit laurentinews.de Redakteurin Cinja Swat.

Sie haben ja sicherlich von Julia Engelmans “Eine Tages, Baby” gehört, was 2014 sehr viral gegangen ist. Es wurde von vielen hochgelobt, von vielen kritisiert. Welche Meinung haben Sie dazu?

Ich finde, dass sie fantastische Arbeit für die Poetry-Slam Community macht und auch wenn sie das vielleicht nicht wollte, hat sie mich und viele andere Kollegen weiter gebracht. Früher musste Poetry-Slam immer erklärt werden und nach ihr musste dies nicht mehr getan werden. Sie hat einen Meilenstein gesetzt. Inhaltlich gehöre ich nicht zu ihrer Zielgruppe.

Heutzutage wird oft kritisiert, dass die Deutsche Sprache immer mehr verarmt. Man sagt den Deutschen sogar nach, sie hätten eine paranoide Lust an der Vernachlässigung und Vergröberung ihrer eigenen Sprache. Wie nehmen Sie das als Sprachexperte wahr?

Sprache hat sich immer verändert und ist auch ein System, welches sich immer der Realität anpassen muss. Sie stellt irgendwo nur einen Spiegel unseres Lebens dar. Dass wir so viele Fremdwörter benutzen, gerade in der Online-Welt, heißt vielleicht auch, dass wir uns vom Leben entfremden.

Schüler sind meistens weniger begeistert, wenn es im Deutschunterricht um die Analyse von Gedichten geht. Bietet Slam Poetry vielleicht einen neuen Zugang für Schüler zur Auseinandersetzung mit lyrischen Texten?

Könnte sein, dass Poetry Slam dies tut. Dies darf aber auf keinen Fall der Sinn von Poetry Slam sein, höchstens ein schöner Nebeneffekt. Man sollte also nicht versuchen, pädagogisch wertvoll zu sein.

Auch ihre eigenen Texte finden sich inzwischen in Schulbüchern. Wie fühlt es sich an, die eigenen Texte neben Werken von Goethe und Schiller zu sehen?

Genau hier gibt es wieder den Fluch und den Segen. Es ist durchaus schmeichelhaft, aber andererseits habe ich immer die Sorge, dass Leute mit meinen Stücken gequält werden, indem sie darüber Arbeiten schreiben und schlechte Noten kriegen. Ich bekam einmal eine Beschwerde per E-Mail, weil ein Schüler seine Interpretation richtig fand und die Lehrerin nicht. Ich war plötzlich in einer Zwickmühle, weil ich erklären sollte, welche Ansicht denn nun richtig sei. Das ist natürlich nicht meine Aufgabe.

Ich bedanke mich recht herzlich zur das spannenden Interview!

Gerne, danke für’s Interesse!

Ihr möchtet noch mehr Infos zu Bas Böttcher oder wollt gerne mit ihm einen Workshop veranstalten? Mehr Informationen dazu bekommt ihr hier: basboettcher.de / Poetry Slam Workshop

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