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Toxischer Zweifel

In der Geschichte der Menschheit gab es zahlreiche Intrigen und Verschwörungen. Und immer wieder gaben besondere historische Ereignisse den Anlass, an eine Verschwörung zu glauben. Vor allem in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie haben Verschwörungsmythen Hochkonjunktur. Wir haben unsere Leser*innen und einen Experten zu den Ursachen, Gefahren und Folgen von Verschwörungstheorien befragt.

Es ist der 21. Juli 1969. Der Astronaut Neil Armstrong setzt als erster Mensch seinen Fuß auf den staubigen Boden des Mondes: “That’s one small step for a man, one giant leap for mankind!”. Ein historischer Moment, den Millionen Menschen live im Fernsehen mitverfolgen. Doch werden die Zuschauer in Wahrheit gerade an der Nase herumgeführt und Zeugen des größten Betrugs der Menschheitsgeschichte? Sind wirklich Menschen auf dem Mond gelandet oder kommen die Bilder aus einem Fernsehstudio in den USA? Bis heute ranken sich Mythen und Anekdoten um die Mondlandung und wer im Internet sucht, findet zahlreiche vermeintliche “Beweise”, die belegen sollen, dass die Mondlandung nur ein großer Fake war. Doch was bei der Mondlandung vielleicht noch ungläubiges Kopfschütteln oder ein Schmunzeln hervorruft, wird bei anderen Verschwörungsmythen immer häufiger zu bitterem Ernst und zu einer realen Gefahr. Vor allem rund um die Corona-Pandemie kursieren unzählige Theorien, die das Corona-Virus wahlweise als Biowaffe aus einem chinesischen Geheimlabor oder als Mittel zum Zweck darstellen, damit uns Bill Gates alle mithilfe der Impfung chippen kann. Was zunächst absurd erscheint, hat erschreckend reale Konsequenzen für unser alltägliches Leben und die Gesellschaft. Menschen werden unsicher, wissen nicht, wem und was sie noch glauben sollen, begegnen sich mit Skepsis und Misstrauen, wenn sie erfahren, dass das Gegenüber eine andere Ansicht vertritt als sie. Wie können wir mit dieser Situation umgehen? Wie unterscheidet man die Wahrheit von der Verschwörungstheorie? Gibt es überhaupt DIE Wahrheit?

Gerade in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie suchen viele Menschen nach Antworten im Internet. Nicht selten stoßen sie dabei auf Verschwörungstheorien. (Bildquelle: Pixabay, CC0)

Wir haben dazu unsere Instagram Follower gefragt und 232 User*innen haben uns zum Thema Verschwörungstheorien einige Fragen beantwortet. Die Ergebnisse dieser Umfrage sind natürlich nicht repräsentativ auf die Bevölkerung in Deutschland übertragbar, aber sie zeigen vielleicht doch auf, wie Verschwörungstheorien wahrgenommen werden. Stolze 86% aller Befragten geben an, dass sie eine Verschwörungstheorie als solche erkennen können. Interessant ist, dass 57% der Umfrageteilnehmer glauben, dass Verschwörungstheorien einen wahren Kern besitzen und (teilweise) glaubhaft sind. Große Einigkeit herrscht auch bei der Frage, ob der Glaube an Verschwörungstheorien etwas mit der Intelligenz zu tun hat: 74% sagen hier “Nein”. Eindeutig äußern sich die User*innen auch bei der Frage, ob Verschwörungstheorien dem Zusammenhalt in der Bevölkerung schaden: 83% stimmen dieser Aussage zu. Vielleicht auch aus diesem Grund wünschen sich 87% der Befragten, dass in der Schule mehr über Verschwörungstheorien aufgeklärt werden müsste.

Bei dieser wichtigen Aufklärungsarbeit können Expert*innen helfen, die sich intensiv mit der Thematik “Verschwörungstheorien” befassen und dazu forschen. Einer dieser Experten ist Dr. Jan Skudlarek. Der promovierte Philosoph beschäftigt sich in seinen Büchern und Artikeln mit gesellschaftsphilosophischen Themen. Seit der Corona-Krise arbeitet Skudlarek vermehrt in der Verschwörungstheorie-Aufklärung – u.a. im Rahmen von (Online-)Workshops klärt er über konspiratives Denken auf. Er arbeitet als Ethik-Dozent und ist im wiss. Beirat von veritas – Der Beratungsstelle für Betroffene von Verschwörungserzählungen. Wir hatten die Gelegenheit, Jan Skudlarek zu fragen, welchen Einfluss Verschwörungstheorien auf die Gesellschaft haben und was man tun kann, um sich auftuende Gräben überwinden zu können.

laurentinews: Im Internet werden Verschwörungstheoretiker oft als Deppen oder Spinner beschimpft. Sind Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, dumm bzw. dümmer als andere oder vielleicht sogar besonders intelligent?

Jan Skudlarek: Tatsächlich sagt der Glaube an Verschwörungstheorien nichts über die Intelligenz aus – weder in die eine noch in die andere Richtung. Verschwörungsglaube ist eher funktional, d.h. er erfüllt oft bestimmte Funktionen und Bedürfnisse. Die Corona-Krise hat z.B. ja wirklich zu einem Kontrollverlust geführt bei vielen von uns; Schulen wurden geschlossen, HomeOffice eingeführt, zeitweise konnten wir nicht mal zum Friseur. Manche Menschen nutzen konspirative Denkweisen – in der Regel nicht bewusst, aber dennoch – so, dass sie, subjektiv und gefühlt, damit ein stückweit die Kontrolle über ihr Leben zurückgewinnen, sich weniger ohnmächtig fühlen. Verschwörungstheoretiker glauben zu wissen, “was abgeht”, und meinen, “die Bösen” zu erkennen. Dass sie komplett falsch liegen, merken sie nicht. Insofern liegen Verschwörungserzählungen (für mich ein synonymer Begriff) oft sogar legitime Bedürfnisse zugrunde. Was sie anrichten, ist allerdings ein Problem. Sie sind nun mal falsche Weltbeschreibungen und sie legitimieren schlussendlich oft Gewalt (gegen die vermeintlichen Übeltäter und ihre Komplizen). Insofern sind sie unabhängig von Intelligenz ein Problem – und psychisch krank sind die allermeisten Verschwörungstheoretiker ebenso wenig.

Wo verläuft die Grenze zwischen dem Zweifeln und skeptischen Hinterfragen und der Verschwörungstheorie? Wann haben Verschwörungstheorien eine Berechtigung?

Skepsis ist eine gute Sache. Nicht alles und jedem glauben, kritisch sein – dagegen hat niemand etwas, auch ich nicht; natürlich nicht. So lautet übrigens ein typischer Vorwurf gegen mich und meine Aufklärungsarbeit (und die von Kolleg:innen). “Du willst doch nur, dass wir nichts hinterfragen und alles glauben, was uns Regierung und Medien sagen.” Nein, das stimmt natürlich nicht. Das kritische Hinterfragen und das eigenständige Denken ist eine demokratische Elementarkompetenz – ohne sie würde unsere Gesellschaft schlichtweg nicht funktionieren. Wir müssen allerdings aufpassen, wie wir hinterfragen. Auch Hinterfragen und kritisch Reflektieren muss nämlich gelernt sein, man kann es besser oder schlechter machen. In meinem Buch “Wahrheit und Verschwörung” (Reclam) nenne ich die Denkweise von Verschwörungstheoretikerinnen den “toxischen Zweifel”. Sie zweifeln an allem und jedem, im Grunde ohne Anlass. Es ist ein Weltbild des permanenten Getäuschtwerdens nach dem Motto: Traue niemandem. “Ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selber gefälscht habe” usw. Diese Grundhaltung empfinde ich als falsch und problematisch. Natürlich gibt es z.B. Politiker:innen, die korrupt sind oder Medien, die nicht aufrichtig berichten. Deswegen zu glauben, dass ALLE Politiker:innen IMMER korrupt sind und alle Medien IMMER lügen wäre allerdings eine falsche, schlechte, nicht nützliche Verallgemeinerung. Die meisten Politiker und Politikerinnen leisten tolle Arbeit, viele ehrenamtlich, auch Medien und Wissenschaft sind Branchen, die voll von engagierten, an der Wahrheit interessierten Menschen sind. Sobald uns Unstimmigkeiten auffallen, dürfen wir natürlich anlassbezogen nachfragen, grundsätzlich dürfen wir eine kritische Haltung einnehmen – aber bestenfalls konstruktiv-kritisch. Wer allen anderen immer Lüge und Täuschung unterstellt, hat ein toxisches Menschenbild und ein unangemessenes obendrein. Das wäre wie jemand, der mal im Bus beklaut wurde und ab dann alle Menschen in der Öffentlichkeit (im Bus, im Supermarkt, überall) für potenzielle Diebe hält. Ja, es gibt die Lüge, ja, es gibt die Täuschung, ja, es gibt die Manipulation. Allerdings sind diese eher die Abweichung von der Norm, nicht die Norm. Insofern: Kritisches Denken hat seine Berechtigung, Verschwörungstheorien haben jedoch keine. Blindes Misstrauen tut niemandem gut. 

Gibt es Gemeinsamkeiten oder so etwas wie “Grundzutaten” bei allen Verschwörungstheorien?

Ja. In der Regel besteht eine Verschwörungstheorie aus mehreren Teilen. Erstens gibt es die Behauptung der Lüge verbunden mit einer geheimen Wahrheit: “Die belügen uns und in Wahrheit ist alles ganz anders” ist eine wichtige Behauptung, die oft kommt. Dann ist dieses Lügenszenario immer auch bedrohlich, ein Bedrohungsszenario. Es geht oft um bösartige Menschen, die Böses planen, um dir zu schaden. Die Verschwörungstheorie gibt an, ein hinterhältiges Komplott zu durchschauen, das dir sonst schlimmstenfalls schadet. Wo es Lüge und Bedrohung gibt, gibt es auch jemanden (oder eine Gruppe), der lügt und bedroht. Keine Lüge ohne Lügner, keine Bedrohung ohne Angreifer. Das sind dann eben “Die Bösen”, i.d.R. sind die angeblichen Übeltäter die Medien, die Politiker, die Wissenschaftler usw. Bei klassischen antisemitischen Theorien (die es leider immer noch gibt): die Juden. Täuschung, Bedrohung und moralisch verkommene Strippenzieher sind wichtige Elemente quasi jeder Verschwörungstheorie. Verbunden wird das Ganze in der Regel mit dem Aufruf, endlich etwas zu tun, zu handeln, die Strippenzieher zu bekämpfen, nicht selten mit Gewalt (die fälschlicherweise zur Notwehr deklariert wird). Das Ganze hat eine drehbuchartige Struktur. Gut gegen Böse, wir gegen die.  

Inwiefern hilft Aufklärung und Bildung gegen Verschwörungstheorien?

Jan Skudlareks Buch „Wahrheit und Verschwörung“ (2019) erschien bei Reclam. Zu finden ist er auch auf Twitter und Instagram. (Bildquelle: privat / Fotograf: Manuel Schamberger)

Aufklärung und Bildung helfen schon. Wenn ich das nicht glauben würde, könnte ich mir ja auch meine Aufklärungsarbeit sparen – und glaubt mir, das würde ich manchmal gerne, denn Beleidigungen und Bedrohungen sind nicht selten das Resultat. Die kommen aber von den Radikalisierten, den Extremisten. Aufklärungsarbeit – und sei es darüber, wie die Psychologie von Verschwörungstheorien funktioniert und warum Menschen sie in der Krise attraktiv finden – ist besonders dann gut und wichtig, wenn sie präventiv geschieht. Also BEVOR Menschen jeden Müll glauben und nachbeten, den sie auf irgendwelchen hasserfüllten Telegram-Kanälen gelesen haben. Aufklärung z.B. darüber, wie Impfungen funktionieren und darüber, dass Corona mit Longcovid usw. um ein Vielfaches gefährlicher ist als jede Impfung dagegen. Das muss sein und ist gut, bestenfalls bevor sich verunsicherte Menschen ihre Desinformation im Internet abgeholt haben. Dann ist es irgendwann zu spät. Prävention, Aufklärung und Medienkompetenz sind das A und O. Wenn jemand sich erst gedanklich radikalisiert hat, ist es schwer, ihn oder sie zurückzugewinnen mit Argumenten und Überzeugungen. 

Wie lässt sich so eine Spaltung, die sich ja manchmal sogar quer durch Familien zieht, überbrücken oder werden diese Gräben bestehen bleiben?

Tatsächlich gehören Meinungsverschiedenheiten zu jeder Familie dazu, auch zu jeder Freundschaft. Wenn diese Meinungsverschiedenheiten jedoch Grundsätzliches betreffen, wird es schnell zum Problem. Zum Beispiel, wenn sich ein Eltern- oder Großelternteil nicht impfen lassen will, es aber nun mal erwiesen ist, dass Corona gerade für Ältere ein gesundheitliches Risiko darstellt. Ich rate dazu, zweierlei zu unterscheiden: Die Sachebene und die Beziehungsebene. Die Sachebene ist das Faktische, die Wissenschaft, das Argumentative. Da geht es wirklich um Inhalte, um Fragen, deren Antworten man recherchieren sollte, bestenfalls mit Hilfe von seriösen Medien und der eigenen Medienkompetenz. Die Beziehungsebene ist wiederum das Zwischenmenschliche, das Soziale. Da geht es auch darum, Ängste zu thematisieren, Sorgen anzusprechen. Ich-Botschaften zu formulieren, also die subjektiv-emotionale Sichtweise zu betonen, vielleicht im Sinne von: “Ich mache mir Sorgen um dich” oder “Mir tut es weh, wenn wir so miteinander umgehen”  oder “Ich hoffe sehr, wir finden wieder mehr zueinander”. Die eigene Sichtweise, auch die eigenen Gefühle offen zu thematisieren, braucht Überwindung, kann aber wichtig sein. Auch um weitere Kränkungen zu vermeiden. Bestenfalls bevor es zu spät ist. 

Wie gefährlich sind Verschwörungstheorien für unsere Gesellschaft oder gibt es sogar positive Effekte?

Verschwörungstheorien sind ziemlich gefährlich für unsere Gesellschaft. Wenn Feindbilder geschaffen werden, ist es nicht weit, bis daraus Gewalt resultiert. Der Hass auf Menschen und Menschengruppen führt nämlich oft dazu, dass dieser Hass sich in Gewalttaten umsetzt. Journalisten werden angegriffen, Politiker attackiert. Jemand wie Karl Lauterbach kann nicht öffentlich reden ohne Polizeischutz. Der Virologe Christian Drosten berichtet, wie er im Supermarkt erkannt und angefeindet wird. Auf gesellschaftlicher Ebene kann man auch eine Destabilisierung demokratischer Prozesse bemerken. Wenn man z.B. an einen großen Wahlbetrug glaubt, hat man wenige Gründe, noch mitzumachen beim demokratischen Prozess, also wählen zu gehen. Wenn man glaubt, dass Wissenschaftlerinnen und Ärzte eh lügen, warum sollte ich auf meinen Arzt hören? Ich werde auch die Medikamente, die mir verschrieben werden, nicht gerne oder gar nicht nehmen, wenn ich an ein teuflisches Komplott bösartiger Pharma-Firmen glaube. Schlussendlich ist da noch die politische Ebene: Verschwörungstheorien sind eine tragende Säule von radikalen Weltbildern wie dem Rechtsextremismus. Das klingt alles ziemlich deprimierend, ich weiß. Allerdings ist es auch so, dass Verschwörungsdenken kein neues Phänomen ist. Es ist lediglich sichtbarer geworden in der Krise. 

Bei Anti-Corona-Demonstrationen treffen viele Verschwörungstheorien aufeinander: Mitglieder der sog. Reichsbürger Bewegung, Anhänger der QAnon Szene und Menschen, die an eine Verschwörung durch Bill Gates glauben, laufen Seite an Seite. (Bildquelle | Urheber: Leonhard Lenz | Wikimedia Commons | CC0 1.0)
 

Verfallen Menschen dem Verschwörungsdenken, besteht die Gefahr, dass sie irgendwann “dicht machen”, inhaltlich nicht mehr zu erreichen sind für Daten, für Fakten. Selbst dann kann man aber dennoch auf der Beziehungsebene da sein, zuhören, sagen “Ich bin absolut nicht deiner Meinung und es gibt meines Wissens keine wissenschaftlichen Beweise dass das, was du glaubst, auch nur ansatzweise wahr ist – aber ich höre dich, ich bin bei dir.” Gehör finden, Wertschätzung erfahren – solche elementaren Bedürfnisse spielen beziehungsmäßig immer eine Rolle. Beleidigungen und Provokationen sollte man wiederum, sofern man noch miteinander reden will, so gut es geht vermeiden (ich weiß, es ist schwer). Wenn eine Beziehung allerdings durch eine Radikalisierung oder durch Fake News und Verschwörungsdenken komplett vergiftet ist, man es nicht weiter versuchen will, dann finde ich es auch legitim, sich irgendwann zu distanzieren. Das ist auch Selbstschutz. In einer Familie geht das dann, indem man bestimmte Themen einfach meidet, damit es nicht zum Streit kommt. Es liegt in der Hand aller (!) Parteien, zuzusehen, dass es nicht so weit kommt. Man kann allerdings auch die Hilfe von Dritten in Anspruch nehmen, mittlerweile gibt es Ansprechpartner für Angehörige, die unter dem Verschwörungsdenken ihrer Mitmenschen leiden, so z.B. Veritas e.V. in Berlin – die richten sich konkret an Betroffene und ich weiß, dass sie gute Arbeit leisten, weil ich Teil des wissenschaftlichen Beirates dort bin. Fakt ist: Ist eine Beziehung stark belastet, ist eine Normalisierung möglich; einfach ist es aber nicht. Und manchmal geht es nicht ohne fremde Hilfe.

Woran kann man eine seriöse von einer unseriösen Quelle unterscheiden?  

Auch das False Balancing, die mediale Verzerrung von Minderheitenmeinungen, kann dazu führen, dass abwegigen Theorien geglaubt wird. (Bildquelle: Mimikama)

Abstrakt gesagt ist das nicht immer einfach – das ist ja das Problem. Ich denke aber, dass Medienkompetenz elementar wichtig ist für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen. Man sollte hinschauen, wo eine Nachricht herkommt. In welchem Stil ist sie verfasst? Will sie mich ängstlich machen? Wütend? Oder ist der Tonfall halbwegs neutral und sachlich? Gibt es mehrere Quellen im Internet zu dieser Meldung? Was sagen Experten und Expertinnen dazu? Wurde der Inhalt schon thematisiert auf Recherche- und Debunking-Plattformen? Ist Meinung X eine krasse Außenseitermeinung, die vielleicht ein Einzelner vertritt? Oder ist das wissenschaftlicher Konsens? Wir müssen auch Acht geben vor einer False Balance, also einer falschen Ausgewogenheit von oft falschen Exotenmeinungen und dem, was die allermeisten Experten sagen und für richtig halten. Denn oft gibt es einen Konsens innerhalb einer Disziplin, z.B. in der Medizin den Konsens, dass Masken in dieser Pandemie eine Schutzwirkung haben und dass die Impfstoffe gut und sicher sind, erst recht verglichen mit der Infektion. Das ist Konsens. Dieser Konsens ändert nichts an der Tatsache, dass man auch Außenseiter oder Verirrte finden kann, die das Gegenteil behaupten. Hinterfragen und den größeren Kontext betrachten ist daher extrem wichtig. 

Inwiefern dürfen sich Verschwörungstheoretiker auf die Meinungsfreiheit berufen? Ist die Meinungsfreiheit grenzenlos?

Meinungsfreiheit ist keinesweges grenzenlos, sie findet ihre üblichen Grenzen z.B. im Verbot der Beleidigung, der Drohung, der Volksverhetzung usw. – und das geht ja nicht selten einher mit Verschwörungsdenken. Was abstruse Theorien selbst angeht, darf man natürlich erstmal glauben und auch sagen, was man will. Jeder und jede hat auch ein Recht, sich lächerlich zu machen. Allerdings gehört auch zur Meinungsfreiheit, dass uns widersprochen wird, dass Leute das, was wir sagen, für falsch halten, für unangemessen, für geschmacklos, für blöd. Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass mir niemand widersprechen darf – im Gegenteil!

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