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Wieder zurück im Leben

Für Sarah ging es um Leben und Tod. Ihre Lunge war durch die Krankheit Mukoviszidose kaum noch funktionstüchtig. Ihre einzige Hoffnung: eine Spenderlunge. Als der Anruf kam, dass das passende Spenderorgan gefunden sei, änderte sich Sarahs Leben schlagartig. Wir hatten die Gelegenheit, mit Sarah über ihre Krankheit, die Organspende und ihr zweites Leben zu sprechen.

Kannst Du Menschen, die von der Krankheit Mukoviszidose noch nie etwas gehört haben, ganz knapp erklären, um was für eine Krankheit es sich handelt?

Mukoviszidose ist eine erblich bedingte Stoffwechselerkrankung, die mehrere Organe im Körper betrifft – hauptsächlich das Verdauungssystem und die Lunge. Das Sekret im Körper ist bei Mukoviszidose-Patienten viel zähflüssiger als bei gesunden Menschen, dadurch verstopft es die Organe und führt zu Problemen. Im Darm ist die Nährstoffaufnahme schwieriger, die Bauchspeicheldrüse produziert oft nicht ausreichend Enzyme, die zur Verdauung benötigt werden und viele Patienten bekommen früher oder später auch einen Diabetes. In der Lunge führt das zähe Sekret oft zu den größten Problemen: Häufige Infekte, viele Entzündungen, wodurch die Lunge nach und nach kaputt geht und die Lungenfunktion immer weiter eingeschränkt wird.

Wie sieht der Alltag mit dieser Krankheit aus? Was ist möglich, was ist nur schwer machbar?

Der Alltag mit Mukoviszidose hängt natürlich stark vom Krankheitsverlauf ab. Ich kenne Patienten, die kaum eingeschränkt sind, Vollzeit arbeiten gehen, eine Familie haben und sportlich aktiv sind. Aber das ist leider nicht selbstverständlich. Für jeden Muko – egal ob in gutem oder schlechtem Gesundheitszustand – gehören auf jeden Fall mehrmals tägliches Inhalieren, Medikamente nehmen und Physiotherapie zum Alltag. Mit fortschreitendem Krankheitsverlauf ist man aber natürlich verstärkt eingeschränkt. Für mich war es oft schon extrem anstrengend, einen ganzen Schultag in die Schule zu kommen. Oft bin ich nur für einige Stunden zur Schule, da mehr einfach nicht möglich war. Insgesamt kann man einfach sagen: Selbst wenn es einem verhältnismäßig noch gut geht, kostet einfach alles viel mehr Kraft, als wenn man gesund ist. Eine Treppe hoch laufen, kann manchmal schon ein Marathon sein.

Inhalieren, Medikamente nehmen und Physiotherapie gehören zum Alltag eines Mukoviszidose Patienten (Bild: Instagram)

War es in deiner Kindheit und Jugend schwierig Freunde zu finden, denn Du warst ja wahrscheinlich bei vielen Aktivitäten eingeschränkt?

Ich hatte das große Glück, dass ich viele verständnisvolle Freunde gefunden habe. Ich denke, dass es durchaus geholfen hat, dass ich schon immer sehr offen mit der Erkrankung umgegangen bin. Es war für uns Kinder alle normal, dass ich zum Essen ein paar Tabletten nehmen muss und manchmal etwas schneller aus der Puste komme – aber das hat keinen gestört. In meiner Jugendzeit bin ich häufig mit Infusionen im Alltag rumgelaufen, hab diese in der Schule selbst an- und abgehängt, das hat einfach zu mir dazu gehört, war aber auch nicht weiter Thema. Ich habe trotz allem immer versucht möglichst normal zu leben und mich von der Erkrankung so wenig wie möglich einschränken zu lassen. Wenn ich irgendwo nicht teilnehmen konnte, haben wir eine Lösung gefunden, dass ich trotzdem dabei sein konnte. Sei es, dass man an Wandertagen zum Zielort gefahren wird, anstatt zu laufen oder man einen gemütlichen Fernsehabend plant, statt wilde Disco-Party. Irgendeine Lösung findet sich immer.

Wann war der Zeitpunkt als Dir klar wurde „Jetzt muss ich gegen den Tod kämpfen?“

Ich glaube es ist schwer einen genauen Zeitpunkt auszumachen, wann man sich den Ernst der Lage so wirklich eingesteht. Ein einschneidender Punkt war für mich ganz bestimmt, als ich das erste Mal wegen meiner Lunge auf Intensivstation verlegt werden musste. Ich war zu diesem Zeitpunkt schon mehre Tage im Krankenhaus und wurde mit mehreren hochdosierten Antibiotika behandelt – trotzdem ging es mir stetig schlechter anstatt besser. Die Medikamente haben kaum gewirkt, wir haben die Infektion nicht in den Griff bekommen und ich habe kaum noch Luft bekommen, sodass ich eben auf Intensivstation verlegt wurde. Gottseidank hat man mich dort mit einigen zusätzlichen Medikamenten wieder etwas stabilisieren können und mir ging es dann auch wieder besser. Aber das war so ein Moment, wo ich ganz klar gespürt habe: Irgendwann kommt die Medizin an ihre Grenzen. Ich kann mich nicht mehr darauf verlassen, dass man mich im Krankenhaus wieder aufgepäppelt kriegt, sondern muss kämpfen.

Wie lebt man mit der Vorstellung, eventuell bald sterben zu müssen? Stellt man sich die Frage, ob das vielleicht der letzte Geburtstag oder das letzte Weihnachtsfest gewesen sein könnte? Hattest Du dir schon Gedanken über deine Beerdigung gemacht?

Ich glaube sich der eigenen Sterblichkeit bewusst zu sein, ist ein großes Geschenk. Ich würde schon behaupten, dass man intensiver lebt – aber in einem positiven Sinn. Man feiert den Geburtstag ganz bewusst – eben weil man nicht weiß, wie viele noch folgen werden. Man freut sich dafür aber umso mehr und ist dankbar. Oft sind wir heute in so einer schnelllebigen und leistungsorientierten Gesellschaft, sodass wir den Blick auf die eigentlich wichtigen Dinge verlieren oder diese auf „später“ verschieben. Ich lebe ganz bewusst im „Hier und Jetzt“, versuche jeden Moment zu genießen und bin dankbar für alles, was ich erleben darf. Und das ist wunderschön.

Über meine Beerdigung selbst habe ich mir selten Gedanken gemacht. Tatsächlich habe ich aber ein paar Lieder rausgesucht, die ich gerne an meiner Beerdigung gespielt hätte, weil ich selbst viel Trost in diesen Liedern gefunden hatte und dies gerne meinen Angehörigen mitgeben wollte. Aber auch ganz pragmatische Dinge sind erledigt: Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und bspw. habe ich eine Passwort-Liste, damit meine Eltern im Zweifelsfall auf meine Accounts zugreifen könnten.

Als gesunder Mensch plant man viele Dinge sehr weit im Voraus. Man sagt, man möchte in 5 Jahren beruflich eine bestimmte Position erreicht haben, in 10 Jahren ein Kind haben und in 15 Jahren vielleicht ein eigenes Haus. Wie planst Du deine Zukunft?

Sarah kurz vor ihrer Lungentransplantation. Mit den Worten “Wir sehen uns wieder” verabschiedete sie sich von ihrer Familie und ihren Freunden. (Bild: Instagram)

Das ist eine schwierige Frage. Irgendwie klingt es für mich natürlich total merkwürdig „In 10 Jahren möchte ich…“ – denn 10 Jahre sind für mich eine extrem lange und nicht selbstverständliche Zeitspanne, in der so viel passieren kann. Trotzdem habe ich Zukunftspläne. Ich möchte Grundschullehrerin werden, arbeiten gehen, mit meinem Freund zusammenziehen und ein glückliches Leben führen. Ich gebe meinen Plänen aber kein Datum. Ich nehme es, wie und wann es kommt und akzeptiere auch Umwege und Verzögerungen. Mir ist bewusst, dass ich vermutlich niemals als alte Frau Wollsocken-strickend im Schaukelstuhl auf der Terrasse sitzen werde. Aber das ist nicht schlimm, denn das Leben hält so viele andere schöne Momente bereit. Wirklich: Ich vermisse nichts in meinem Leben.

Als Du 13 Jahre alt warst, hast Du deine Schwester Miriam an Mukoviszidose verloren. Was hat der Tod deiner Schwester in dir ausgelöst? Gab es sowas wie eine Art Trotzreaktion „Jetzt kämpfe ich erst Recht gegen diese Krankheit an.“?

Mir ist es erstmal sehr schwergefallen, Miriams Tod zu begreifen, zu realisieren – zu verstehen. Ich wollte nicht akzeptieren, dass es so kommen musste, war sie doch immer mein größtes Vorbild. Ich habe ihren Tod aber sehr wenig auf meine eigene Krankheit übertragen. Mir ging es zu dem damaligen Zeitpunkt noch deutlich besser, sodass ich diese direkte „Todesnähe“ kaum auf mich übertragen habe, sondern einfach erstmal damit beschäftigt war, das Geschehene zu verarbeiten. Das hat eine Weile gedauert, aber irgendwann habe ich es geschafft einen positiven Umgang mit Miriams Tod zu finden. Anstatt mich darüber aufzuregen, dass sie mir „weggenommen“ wurde, bin ich dankbar, dass mir so eine tolle Schwester zur Seite gestellt wurde. Auch habe ich begriffen, dass wir immer noch eine (sehr enge) Beziehung zueinander haben, wenn eben auch etwas anders als „normal“. Aber die Liebe ist stärker als der Tod – und somit weiß ich, dass meine Schwester immer an meiner Seite ist.

Als es mir dann selbst immer schlechter ging, habe ich natürlich auch viel über meine Schwester nachgedacht. Ihr Verlauf war damals ein ganz anderer, sie hatte sich sehr schnell sehr stark verschlechtert, wohingegen es bei mir ein sehr viel schleichender Prozess war. Aber ihre Stärke, ihr Kampfeswillen war mir in dieser Zeit immer eine große Stütze und ich habe gesagt: „Wir schaffen das zusammen. Ich kämpfe weiter, denn ich weiß, dass du mir beistehst.“

Wie stehst Du dazu, dass es Menschen gibt, die eine gendiagnostische Beratung machen und ein Kind abtreiben lassen, wenn bei einem Gentest vor der Geburt Mukoviszidose festgestellt wird?

Letztlich ist das eine sehr persönliche Entscheidung. Jeder hat irgendwie den perfekten Plan für sein Leben, aber Spoiler: Der wird nicht aufgehen. Das Leben schreibt eigene Pläne. Ich kann den Wunsch nach einem gesunden Kind absolut nachvollziehen – ich glaube für alle Eltern ist eine solche Diagnose ein absoluter Shock und Albtraum. Aber ich kann aus meiner Perspektive nur sagen: Auch das Leben mit einer schweren Erkrankung kann absolut erfüllend sein und schenkt einem nochmal einen ganz neuen Blickwinkel, der meiner Meinung nach die Ansicht AUF das Leben ungemein bereichert. Ich würde es nicht anders haben wollen, ich bin meinen Eltern unglaublich dankbar, dass sie sich für ein weiteres Kind trotz des Risikos entschieden haben und gesagt haben: Wir entscheiden uns für ein weiteres Kind, für diesen Menschen – ganz egal ob er gesund ist oder nicht.

Dennoch kann ich es niemanden übel nehmen, der eine Entscheidung gegen eine Krankheit trifft. Denn natürlich bedeutet es auch Leid, Trauer und Schmerz – vor allem und in erster Linie auch für die Eltern und diese müssen bereit sein, diesen Weg mit ihrem Kind zu gehen. Aber eine Entscheidung gegen ein Kind mit Mukoviszidose ist eben auch eine Entscheidung gegen diesen Menschen. Und wer sagt im Voraus, dass dieser Mensch nicht ein absolut erfüllendes und glückliches Leben haben wird – nur weil er Mukoviszidose hat?

Wie begegnet man Menschen, die sich über Banalitäten aufregen, wenn man selber gerade um sein Leben kämpft? Kannst Du dich selber auch über Kleinigkeiten ärgern?

In der Regel bin ich ein guter Zuhörer und tatsächlich tut es sogar manchmal gut die Alltagsprobleme von anderen Menschen anzuhören. Oft muss ich innerlich dabei aber schmunzeln und merke, wie frei ich eigentlich bin: Ja – ich musste und muss um mein Leben kämpfen. Aber das gibt mir gleichzeitig so unendlich viel Freiheit, da ich dadurch gelernt habe, was wirklich wichtig ist. Mir ist es egal, was Person XY von mir denkt, wenn ich in Jogginghose einkaufen gehe. Ich warte nicht darauf, dass mein Freund sich zuerst entschuldigt. Ich weiß, dass ich niemand darüber definieren wird, wie gut oder schlecht meine Noten sind. Aber trotzdem kann ich mich auch mal über Kleinigkeiten aufregen: Der Professor hat die Folien nicht hochgeladen, obwohl er das hoch und heilig versprochen hatte? Super nervig! Meine Mama hat vergessen, mir meinen Lieblingssnack einzukaufen? Neeeeeeein! (ich hab dich natürlich trotzdem lieb, Mama!).

Auf deinem Instagram Kanal strahlst Du trotz deiner schweren Krankheit eine so große Lebensfreude aus. Was ist deine persönliche Lebensfreuden-Quelle, die Dir so viel Energie gibt?

Manchmal weiß ich selbst gar nicht, woher ich diese positive Energie nehme. Ich glaube eine ganz besonders große Rolle spielen dabei meine Familie, Freunde, aber auch Ärzte, Pfleger und Therapeuten. Ich habe großes Glück, dass ich so viele Menschen habe, die bedingungslos hinter mir stehen und in dieser schwierigen Zeit immer an meiner Seite standen. Das hat mir viel Kraft gegeben, denn ich wusste, dass es sich lohnt für diese Menschen zu kämpfen. Ansonsten spielt auch mein Glaube eine wichtige Rolle. Ich liebe mein Leben, so wie es ist – mit allen Höhen und Tiefen. Selbst in den schwierigsten Situationen gab es auch immer so viel Positives: Der Zusammenhalt, die Hoffnung, die Gemeinschaft.

Vor einigen Monaten kam der Film „Drei Schritte zu dir“ in die Kinos, ein Film über die Beziehung zwischen einem Jungen und einem Mädchen, die beide an Mukoviszidose erkrankt sind. Hast Du diesen Film geschaut und wie hat er dir gefallen?

Auch Sarah hat den Kinofilm “Drei Schritte zu dir” gesehen. Auch wenn der Kontakt zwischen Mukoviszidose Patienten nicht ungefährlich sei, sei der Austausch zwischen Betroffenen umso wichtiger, so Sarah.

Ich habe den Film tatsächlich wenige Tage vor meiner eigenen Transplantation angeschaut. Der Film ist medizinisch bestimmt nicht immer absolut korrekt und gerade das Ende ist doch etwas über dramatisiert. Aber was mir an dem Film gut gefallen hat, ist das Zwischenmenschliche. Es wird ja thematisiert, dass wir Mukos gegenseitig Abstand halten müssen, da wir uns sonst gegenseitig mit unseren unterschiedlichen Keimen anstecken können. Das ist leider in der Realität auch so und macht Mukoviszidose manchmal zu einer sehr isolierenden Krankheit: Genau die Menschen, die einem am besten verstehen können – mit denen darf man sich nicht treffen. Ich habe viel Kontakt zu anderen Muko-Patienten und kenne genau die Situation von Will und Stella: Ich habe eine sehr gute Freundin, wenn wir beide zeitgleich stationär in der Klinik waren, durften wir uns allerdings nie sehen. Das einzige was dann bleibt ist, sich mit genügend Sicherheitsabstand über den Balkon anzuschreien oder von Zimmer zu Zimmer videozuchatten.

Was ging Dir durch den Kopf, als Du erfahren hast, dass es ein Spenderlunge für Dich gibt?

Im ersten Moment als das Telefon geklingelt hatte und ich den Anruf entgegen genommen habe, habe ich gar nicht verstanden, was gerade passiert. Selbst bei den Worten „Wir haben ein Lungenangebot für Sie“ hat mein Kopf noch nicht verstanden was los ist. Erst mit den Worten: „Dann schicken wir jetzt einen Rettungswagen zu Ihnen“ wurde mir plötzlich bewusst: Es ist ernst. Es wird jetzt wirklich was passieren. Zu dem Zeitpunkt, wenn man den Anruf erhält, weiß man allerdings noch nicht sicher, ob die Lunge wirklich „in Ordnung ist“ – das erfährt man endgültig erst einige Stunden später in der Klinik. Trotzdem war ich nervös, hatte aber ein gutes Gefühl. Ich wusste: Jetzt oder nie – das ist meine einzige Chance. Und ich war absolut bereit. Meine Familie hat schnell ein paar Sachen zusammengepackt und eine halbe Stunde später lag ich schon im Rettungswagen in der Klinik. Dort ging auch alles sehr hektisch weiter: Einige letzte Untersuchungen, OP-Vorbereitung und eine letzte Unterschrift zur Einwilligung. Immer noch in der Ungewissheit, ob es wirklich zur Transplantation kommt, wurde ich dann in den OP-Saal gebracht. An der Schleuse musste ich mich von meinen Eltern und besten Freunden verabschieden. Dann lag ich im OP. Wir wussten immer noch nicht, ob die Lunge passt. Aber endlich hatte ich mal ein paar ruhige Minuten und konnte mir bewusst darüber werden, was in den letzten Stunden passiert ist. Ich habe an den Spender gedacht und für ihn gebetet. Mich für die Entscheidung zur Organspende bedankt und den Angehörigen viel Kraft gewünscht. Und dann kam endlich das „OK“ – der Anästhesist kam auf mich zu und sagte „Herzlichen Glückwunsch – wir dürfen anfangen“. Ich war ganz ruhig, erleichtert. Ich wusste: Jetzt wird alles gut werden.  

Wenn Du theoretisch die Möglichkeit hättest, dem Spender deiner neuen Lunge etwas zu sagen, was wäre das?

Ich glaube, dass was ich meinem Spender sagen wollen würde, könnte man nicht mit Worten ausdrücken. Ich würde ihm gerne zeigen, was seine Entscheidung bewirkt hat. Würde ihm zeigen, wie glücklich meine Eltern sind, dass ich noch da bin. Würde ihm zeigen, wie ich durch die Gegend spaziere, wie ich Luftballons aufblase und Kerzen auspuste. Würde ihm zeigen, wie glücklich meine Oma ist, wenn sie neben mir sitzt und ich kein einziges Mal huste. Würde ihm das Lächeln auf dem Gesicht meiner Ärztin zeigen, wenn sie die Lunge abhört. Würde ihm zeigen, wie viele Menschen so unendlich dankbar sind. Lieber Spender, du hast mein Leben gerettet, obwohl man dir selbst nicht mehr helfen konnte. Ich bin dir einfach unendlich dankbar, für diese selbstlose Entscheidung einer Fremden gegenüber. Du sollst wissen, dass du damit nicht nur mir, sondern auch allen Menschen um mich herum ein unfassbar großes Geschenk gemacht hast. Bei allem was ich erlebe, bist du ein Teil davon. Denn ohne dich, würde ich nichts davon erleben können.

Welche Möglichkeiten gibt Dir die neue Lunge, was musst Du jetzt in deinem Leben beachten?

Auch nach der OP muss Sarah weiterhin viele Medikamente nehmen, u.a. damit ihr Körper nicht das neue Organ abstößt. (Bild: Instagram)

Die neue Lunge gibt mir erstmal wieder die Möglichkeit zu leben. Ich brauche keinen Sauerstoff oder Beatmung mehr, kann wieder laufen und mich selbstständig versorgen. Es ist ein unfassbar großes Wunder: War ich vorher komplett abhängig und am Rande der Überlebensfähigkeit, bin ich jetzt – gerade mal ein halbes Jahr später – wieder zurück im Leben. Wohne wieder in meiner Studenten-WG und kann mich selbst um meinen Kram kümmern. Dennoch bin ich nicht gesund. Ich nehme am Tag zwischen 30-40 Tabletten, die auch gravierende Nebenwirkungen haben können. Aktuell sind meine Nierenwerte schon leicht angeschlagen, da es einfach so viele Medikamente sind. Damit ich das neue Organ nicht abstoße, wird mein Immunsystem unterdrückt. Das heißt: Ich bin super anfällig für sämltiche Infekte, Erkältungen etc. Deshalb trage ich in der Öffentlichkeit einen Mundschutz und desinfiziere mir regelmäßig die Hände. Auch beim Essen muss ich auf bestimmte Hygiene-Regeln achten: Obst und Gemüse muss geschält oder gekocht werden, ich darf kein rohes Fleisch (z.b. Salami) oder Fisch (Sushi) essen und noch ein paar andere Sachen. Noch habe ich auch einen relativ hohen Therapieaufwand: Inhalieren, Sport- und Physiotherapie. Wie lange es mir mit der neuen Lunge gut gehen wird – das kann keiner sagen. Die mittlere Überlebensrate liegt bei 5-6 Jahren, ich kenne aber auch einige, die schon deutlich länger mit ihrer Lunge leben. Man weiß nicht, was das Leben noch für einen bereit hält – aber das weiß ich auch als gesunder Mensch nicht.

Das Thema Organspende wurde in Deutschland in diesem Jahr kontrovers diskutiert. Wie stehst Du dazu, dass alle Menschen automatisch Organspender sein sollen.

Sarah hat zum Thema Organspende eine klare Meinung: “Es geht darum, dass man sich mindestens einmal im Leben Gedanken darüber macht, ob man Spender sein möchte oder nicht.” (Bild: Instagram

Ich befürworte die doppelte Widerspruchsregelung. Ich finde es einfach extrem wichtig, dass sich Jeder Mal mit dem Thema Organspende auseinandersetzt und eine Entscheidung trifft – dabei ist es mir egal, ob sich jemand dafür oder dagegen entscheidet, denn das ist eine ganz persönliche Sache. Aber diese Entscheidung zu treffen, über Organspende nachzudenken. Das ist enorm wichtig, nicht zuletzt für einen selbst. Mit der Widerspruchsregelung könnten wir glaube ich etwas ganz Wichtiges erreichen: Das Thema Organspende in die Mitte der Gesellschaft rücken. Es zu einem Thema machen, mit dem man sich auseinandersetzt, den man nicht aus dem Weg geht. Seine Entscheidung trifft.

Bald ist Weihnachten: Was steht auf deinem Wunschzettel?

Mein größtes Geschenk habe ich dieses Jahr schon bekommen: Eine neue Lunge. Ich darf leben und dieses Weihnachten gemeinsam mit meiner Familie verbringen, außerhalb des Krankenhauses. Damit auch andere ein solches Wunder erleben dürfen, wünsche ich mir, dass sich jeder der das liest über Organspende informiert und seine Entscheidung trifft. Außerdem wünsche ich mir ganz konkret, dass die Familie meines Spenders trotz ihres Verlustes ein schönes Weihnachtsfest verbringen kann und die Anwesenheit ihres geliebten Menschen spürt, denn ich bin mir sicher, dass er/sie wird bei ihnen sein wird.

1 Kommentar

  1. schöner Artikel, du bist großartig!

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