Plastik – Wunderwerk und Teufelszeug
Du hältst es gerade in der Hand und es ist überall um Dich herum: Die Computermaus in deiner Hand, das Smartphone, das gleich klingeln wird, die Brille auf deiner Nase, die Flasche, aus der Du gerade noch getrunken hast: alles ist aus Plastik oder genauer gesagt Plastikkunststoff. Plastik hat die Welt verändert, aber es bringt auch große Probleme mit sich.
Gehen wir zunächst zurück in der Geschichte der Menschheit und schauen auf die frühe Entstehung von Plastik und Kunststoff. Man könnte meinen, wir befänden uns nun im frühen 18. oder 19. Jahrhundert, es ist jedoch überraschender Weise der Urknall, ab dem es Kunststoff in unserer Welt gab, denn bereits von Anfang an war Kunststoff in jeder Pflanze und in jedem Tier vorhanden. Klingt komisch, ist dennoch wahr, denn wir betrachten hier Kunststoff in Form von Biopolymeren, also natürlich vorkommenden „Kunststoffen“. So war der erste Klebstoff der Menschheit das Birkenpech der Birke, das die Neandertaler als Klebstoff zum Herstellen von Waffen benötigten. Im Mittelalter wurden dann beispielsweise Tierhörner durch ein spezielles Verfahren in einen formbaren plastischen Stoff verwandelt. Schon bald sollte es jedoch zu Ende sein mit der natürlichen Gewinnung eines Kunststoffes. Naturforscher brachten in den frühen Jahren des 19. Jahrhunderts aus der Kautschukpflanze gewonnenes Kautschuk aus Malaysia oder Brasilien mit. Auf dieser Basis entwickelte sich rasch in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine große Gummiindustrie, die in ihrem Wachstum mit voranschreitenden Entwicklungen nicht zu stoppen war.
So war es ein jener Charles Goodyear, der im Jahre 1839 auf die Idee kam, das Kautschuk im Zusatz mit Schwefel unter Hitzeeinwirkung (Vulkanisierung) Gummi ergibt. Damit war es möglich, Gummi herzustellen, das wasserfest, wärme- und kältefest sowie bruchstabil war. Nicht viele Jahre später wurde 1850 der erste richtige Duroplast, also formfester, harter Kunststoff entwickelt, aus dem folglich Klaviertasten oder Teile von Telefonen hergestellt wurden, 1855 entstanden die ersten Gummihandschuhe und das erste Kondom mit nicht unbeachtlichen 2mm Dicke. Die Autoreifen mit denen man den Namen von Charles Goodyear zuerst in Verbindung bringen könnte, wurden erst 38 Jahre nach seinem Tod durch die Firma „Goodyear Tire & Rubber Company“ hergestellt, die seinen Namen als postume Ehrung an ihn im Firmennamen trug. Des Weiteren folgten Erfindungen wie die des Zelluloid, ein weicherer und besser formbarer Kunststoff, mit dem bestimmte Produkte in die Massenproduktion gehen konnten – oder auch massenhaft in Brand gesetzt werden konnten, da erste Zusammenstellungen des Produktionsstoffes hoch entflammbar und teilweise giftig waren. Kunststoffe bzw. das Plastik etablierten sich in den nächsten Jahrzehnten in so ziemlich jeder Lebenslage: von Kleidungsstücken, Fußbodenbelägen oder als Volksempfänger, bis hin zur Medizin oder in Flugzeugtragflächen.
So ist diese unheimlich große Vielfalt von Benutzungsmöglichkeiten und Einsatzzwecken wahrscheinlich der Grund dafür, warum wir dieses Plastik immer und überall antreffen, denn je nach Herstellung und chemischer Zusammensetzung des Endprodukts können vielerlei Vorteile gegenüber anderen Materialien erreicht werden, wie zum Beispiel eine Vermeidung der Leitfähigkeit von Strom oder gar eine Resistenz gegen Korrosion wie aber auch eine Leichtigkeit und Materialstärke, leichter und stärker als manch Metall, in Verbindung mit verarbeiteten Kohlefaserstoffen im Plastik. So macht sich die Plastikindustrie durchaus bezahlt. Allein in Deutschland erwirtschaftete die Kunststoffindustrie 2012 einen Umsatz von etwa 88 Mrd. Euro und beschäftigte etwa 363.000 Menschen in über 3.000 Unternehmen Damit hält sie einen Anteil von sechs Prozent an der heimischen Industrieproduktion. Weltweit sind es durchschnittlich sogar 800Mrd. Dies kommt nicht von ungefähr, denn heutzutage ist so ziemlich jeder existierende Industriezweig auf Plastik angewiesen, was sich durch Zahlen von bis zu 250Mio. Tonnen neu produziertem Plastiks pro Jahr belegen lässt. Würde man so jegliches bis dato produziertes Plastik der Welt zusammenziehen, so könnte man die Welt sechs mal komplett mit Plastikfolie einwickeln.
Diese doch erschreckend großen Zahlen führen auch gleichzeitig zur schockierenden Kehrseite des Plastiks. Zwar ist es unumstritten eine der größten und nützlichsten Erfindungen der Menschheit, doch ist ja bekanntlich der Mensch sein eigens größter Feind. Aber was ist denn das Problem mit dem Plastik? Ich werde davon nicht krank, noch radioaktiv verseucht, oder in einer anderen Hinsicht verletzt? Und recycelt wird es doch auch? So gesehen mag das stimmen. Plastik hat keinen direkten Einfluss auf den Menschen selbst, jedoch einen umso größeren auf die Umwelt. 250Mio. Tonnen neuer indirekter Müll pro Jahr können und werden schlichtweg nicht einfach wegrecycelt. Zum Beispiel werden jährlich 14Mio. Tonnen Styropor produziert, jedoch nur ein Prozent davon korrekt recycelt. Und der Rest? Landet im Meer. Statistisch gesehen landen pro Stunde rund 675 Tonnen Müll absichtlich im Meer, wovon die Hälfte aus Plastik besteht. Jährlich gesehen sind das rund 30% des Plastikmülls der Welt, die über Umwege oder einfach auf direktem Wege ins Meer gelangen. Über alle Weltmeere der Erde betrachtet sind das bis zu 18.000 Plastikteile pro Quadratkilometer. „Rekorde“ werden hier im „Great Pacific Garbage Patch“ erreicht, ein gigantischer Müllstrudel zwischen Nordamerika und Asien mit der doppelten Größe von Texas, in dem ganze 1Mio. Plastikteile pro Quadratkilometer angenommen werden. Ein erschreckendes, sich im wahrsten Sinne des Wortes „nicht zersetzendes“ Bild, das ohne Weiteres nicht ohne Folgen bleibt. Bis zu 100.000 Meerestiere aus bis zu 276 Arten sterben jährlich an Folgen der Meeresverschmutzung durch versehentliches Fressen von Plastik oder gar Füttern der Nachkommen mit Plastikmüll. So liegt es auch nicht in der Natur von Plastik sich zu zersetzen oder wenn überhaupt nur minimal. In den riesigen Müllstrudeln passiert dies durch Reibung und Sonneneinstrahlung. Bei der Zersetzung werden hochgiftige Stoffe frei, die fortan in den Meeresorganismus gelangen. Genauer gesagt essen wir, wenn wir Fisch essen, unseren eigenen Müll. Nicht gerade sehr appetitlich.
Würde man so gesehen selbst an diesem Tag damit aufhören Plastikmüll in den Meeresumlauf zu bringen, so würde dennoch in einigen Jahrhunderten dieser dort existieren. Die Politiker scheinen dies realisiert zu haben und haben bereits in einigen Ländern strikte Strafen gegen Einfuhr von Plastiktüten und oder anderen Plastikgütern erhoben. So war es beispielsweise Bangladesch 2002 der erste Staat der Welt, der Plastiktüten komplett verboten hatte. 2008 folgten China und Australien, im letzten Jahr schlossen sich die Vereinigten Arabischen Emiraten diesem Verbot an. Auch in Europa gibt es bereits Pläne zur Abschaffung oder Einschränkung.
Abschließend lässt sich so sagen, dass eine derartiges Ausmaß der Plastikvermüllung auf keinen Fall weiter tolerierbar ist. Es sollte sich jeder, unbedacht ob er der Problematik bewusst ist oder nicht, stets an die eigene Nase fassen und sich klar machen, dass er selbst seine, wie auch die Zukunft unzähliger weiterer Generationen in der Hand hat. Man sollte aufhören zu sagen, dass doch das eine Mal Unachtsamkeit gleichzustellen ist mit keinem Mal und doch der Einzelne an sich nicht den Unterschied macht. Mit der Vermeidung von Plastikmüll kann jeder anfangen und zwar sofort: Anstelle einer Plastiktüte den guten, alten Jutebeutel zum Einkaufen mitnehmen, das Brot nicht in Frischhaltefolie einwickeln sondern in Pergamentpapier, Einwegplastikflaschen vermeiden und stattdessen Glasflaschen oder Tetrapacks kaufen. Ihr seht: Die ersten Schritte aus dem Plastikwahn kann jeder gehen.
Zum Schluss möchten wir Euch noch die Dokumentation “Plastic Planet” empfehlen. Der deutsch-österreichische Dokumentarfilm zeigt sehr eindrücklich die Gefahren von Plastik in ihren verschiedensten Formen und ihrer weltweiten Verbreitung.
Liebe Redaktion,
lieber Yannik,
vielen Dank für diesen sehr informativen und aufschlussreichen Bericht. Da ich vor einigen Wochen im Fernsehen eine Reportage über das Thema “Plastik” gesehen habe, haben wir Kirchbergs beschlossen, alle Getränke -bis auf Milch- nur noch in Glasflaschen zu kaufen.
Die Kehrseite dieses aktiven Umweltschutzes ist, dass man fast das Doppelte für die Getränke bezahlt. Aber dieses Opfer kann man ja vielleicht bringen. Denn schließlich hinterlassen wir den Müll noch Generationen von Kindern.
Wie wäre es bei den Schülern mal mit einem Getränkebecher (meinetwegen sogar aus Plastik), indem man seine Getränke mit zur Schule bringt. Eine Apfelsaftschorle kann man prima selbst mischen; die muss man nicht fertig in einer Plastikflasche kaufen.