AfD-Meldeportal – Lehrer am Pranger?
Lehrer sollten, besonders wenn sie Politik unterrichten, Schüler über aktuelle Vorkommnisse in der Politik informieren. Doch inwiefern ist es dem Lehrer dabei erlaubt, auch darüber zu urteilen? Die AfD ist ganz Ohr, wenn es darum geht ihren Ruf gegenüber Schülern beziehungsweise zukünftigen Wahlberechtigten zu wahren und greift dabei nun zu fragwürdigen Methoden.
Lehrer stehen unter dem Neutralitätsgebot, das zum Beispiel zur Folge hat, dass Lehrer sich nicht kritisch gegenüber Parteien äußern dürfen.
Die AfD Hamburg hatte dies zum Anlass genommen, eine Online-Plattform einzurichten, auf der Schüler, Lehrer und Eltern eine “politische Indoktrination” melden können. Das Wort “Indoktrination” ist meist aus einem ganz anderen Kontext bekannt, nämlich dem Nationalsozialismus. In der NS-Zeit fand eine Indoktrination von Kindern und Jugendlichen in Form der Einflößung der NS-Ideologie durch die Nationalsozialisten statt. Dies geschah vor allem in der Schule, aber auch in den Jugendorganisationen der HJ und dem BDM.
Als Hintergrund dieser Aktion nennt die AfD-Fraktion Hamburg, sie wolle “umfassend über die Rechtsvorschriften rund um das Neutralitätsgebot aufklären”, sowie AfD-Bashing (eng. to bash- heftig schlagen, bedeutet so viel wie stark herablassende Kritik) und “fehlerhaftes und unsachliches Unterrichtsmaterial” unterbinden.
Ihr Ziel sei es, den Wert des Grundgedankens der Meinungsfreiheit und der freien Rede für die Demokratie wieder stärker zu vermitteln. Doch ist es eine gute Idee, ein Portal für anonyme Beschwerden einzurichten, um das Grundrecht auf Meinungsfreiheit zu schützen?
Die Reaktionen auf dieses Portal sind größtenteils sehr negativ. Die baden-württembergische Piratenpartei hatte zum Beispiel dazu aufgerufen, das Portal mit Spambeiträgen zu fluten. Die AfD spricht hingegen auf ihrer Website derzeit von “Hackerangriffen”. Die Hamburger Schulverwaltung kritisiert die Aktion ebenfalls. “Kinder werden hier zu Denunzianten gemacht”.
Neutralitätsgebot bei Lehrern
– Überwältigungsverbot – Lehrkräfte dürfen Schülern nicht ihre Meinung aufzwingen, sondern müssen ihnen die Gelegenheit geben, sich selbst zu positionieren.
– Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen.
– Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen.
Lehrer sollen Schüler also in erster Linie informieren, sie jedoch nicht indoktrinieren. Dennoch gehört es zu einer Diskussion, auch die eigene Meinung vertreten zu dürfen. Das ist auch bei Lehrern legitim, auch für sie gilt während der Ausübung ihres Berufes die Meinungsfreiheit.
Gegen den Schulleiter einer Gesamtschule aus Geilenkirchen (NRW), Uwe Böken, hat die AfD tatsächlich Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt, als dieser im WDR Fernsehen sagte: „Wir haben rechtsextreme Bundestagsabgeordnete im Deutschen Bundestag wieder sitzen, seit der letzten Bundestagswahl.“ Der AfD Bundestagsabgeordnete Uwe Kamann kritisierte diese Äußerung scharf und sagte, dies sei „eine nicht hinzunehmende Verleumdung aller 94 Bundestagsabgeordneten unserer Partei“ verbunden mit der Aufforderung “diese Art von Meinungsäußerung im schulischen Umfeld zu unterlassen”. Soviel zum Thema den Grundgedanken der Meinungsfreiheit und der freien Rede stärken. Böken reagierte darauf so: ” Ich gebe mein politisches Bewusstsein nicht an der Garderobe ab, wenn ich die Schule betrete”. Er sehe es als seine Verpflichtung, Schüler zu politisch denkenden Bürgern zu erziehen. Die Bezirksregierung lehnte die Dienstaufsichtsbeschwerde ab. Die Aussage des Schulleiters gefährde nicht das Vertrauen in die Neutralität des Staates und sei nicht zu beanstanden.
Das Meldeportal der AfD ist auch rein juristisch gesehen umstritten, denn Rechtsexperten sehen vor allem Schwierigkeiten mit der DSGVO. So hat ein Lehrer, wenn er über dieses Portal gemeldet wird, einen Auskunftsanspruch darüber, wer ihn gemeldet hat. Der Betreiber einer solchen Seite muss die Daten herausgeben, wenn der Lehrer zum Beispiel Anzeige wegen übler Nachrede erstattet. Tut er dies nicht, so sei dies ein Verstoß gegen die DSGVO und könne mit einem Bußgeld bestraft werden, so Rechtsexperten. Nach Meinung des Lehrerbildungs-Experte und Grünen-Politiker Kurt Edler dürfen Lehrer gar nicht neutral sein: “Sie sind durch das Schulgesetz und die Verfassung in Sachen Menschenrechte und Demokratie darauf festgelegt, grundrechtsklar gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und diskriminierende Positionen, wie sie die AfD laufend vertritt, aufzutreten”.
Auch die AfD Niedersachsen hat nun mit dem heutigen Tag ein Meldeportal im Internet eingerichtet. Kultusminister Tonne reagierte wie folgt: “Wenn über die Grundpfeiler unserer Demokratie diskutiert wird, wenn Menschenfeindlichkeit, Rassismus, Populismus und Fake News die öffentlichen Debatten beherrschen, ist eine Behandlung dieser Themen in Schule ausdrücklich geboten.” Noch deutlicher wurde Ministerpräsident Stefan Weil, der in einem Interview mit NDR 1 sagte: “Es ist wirklich widerlich, was an dieser Stelle geschieht: Dass einzelne Lehrerinnen und Lehrer herausgepickt und im Internet – man muss sagen – an den Pranger gestellt werden.” An dieser Stelle lasse die AfD wirklich “alle Masken fallen”.
Wer nun doch meint, seinen Lehrer oder seinen Kollegen bei der AfD melden zu müssen, findet auf besagter Plattform keine Meldemaske, sondern bislang nur eine E-Mail Adresse. Die AfD verspricht, die Beschwerde aufzunehmen und unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte an die Behörde weiterzuleiten.
Wer hingegen seinem Lehrer mal ein Lob aussprechen möchte, weil dieser auf anschauliche Art und Weise Werte wie Demokratie und Vielfalt vermittelt, der kann dies in Form einer Petition unter dem Motto #meinLehrerfetzt hier tun.
Redaktion / Malin Knelangen