“Was muss noch passieren, bis die Gesellschaft endlich aufwacht?”
Die Debatte um den Schutz unseres Klimas erhitzt die Gemüter. Die Umweltaktivisten von Extinction Rebellion, übersetzt “Rebellion gegen das Aussterben”, versuchen mit zivilem Ungehorsam die Menschen wachzurütteln. Doch mit ihren Aktionen ernten sie auch Kritik. Wir haben mit ihnen gesprochen.
Extinction Rebellion machte im vergangenen Jahr mit spektakulären Protestaktionen auf sich aufmerksam. Insbesondere die Blockierung des Großen Sterns bei der Siegessäule in Berlin sorgte für viele, zum Teil negative, Schlagzeilen. Scharfe Kritik gab es auch zu Aussagen des Extinction Rebellion Mitbegründers Roger Hallam, der den Holocaust relativierte. Die Gruppe wurde 2018 in Großbritannien gegründet und hat in Deutschland ca. 100 Ortsgruppen. Wir hatten die Gelegenheit mit Tino und Ina, die beide aktive Mitglieder von Extinction Rebellion sind, ein Interview zu führen.
laurentinews.de: Der Gründer von Extinction Rebellion hat gesagt „Wenn eine Gesellschaft so unmoralisch handelt, wird Demokratie irrelevant.“ Für wie vereinbar haltet ihr Klimaschutz und Demokratie?
Extinction Rebellion: Tino: Zunächst ist wichtig zu sagen, dass Roger Hallam einer von 14 Gründer*innen ist, er jedoch so wie jedes Mitglied von Extinction Rebellion gleichwertig ist und keine Führungsrolle besitzt. Weiter sind seine Äußerungen nicht stellvertretend für XR Deutschland und anderen XR Gruppen in über 70 Ländern, auf sechs Kontinenten. Klimaschutz und Demokratie müssen wir stets zusammen denken. Erwärmt sich das Klima weiterhin, wird die Demokratie dem nicht standhalten. Zerbricht die Demokratie, rückt der Klimaschutz in weite Ferne.
Wenn wir die Klimakrise also nicht in den Griff bekommen, dann wird es nicht gut um die Demokratie stehen. Schon jetzt sterben zehntausende Menschen täglich an den Folgen der Klimaerwärmung. Hunderte Millionen Menschen leben unter katastrophalen Bedingungen und sind den Folgen der Klimakrise schutzlos ausgesetzt.
Wenn wir also weiter so unmoralisch daher leben und unseren Wohlstand auf Kosten “Anderer” (der Menschen im globalen Süden, aber auch Menschen innerhalb unserer Gesellschaft) sichern, wird aus der Klimakrise eine Klimakatastrophe. Dieser wird die Demokratie nicht standhalten, da Menschen, Konzerne und Staaten sich um Ressourcen und Gebiete streiten werden.
Die dritten Forderung von XR stellt klar, dass wir eine Stärkung der Demokratie fordern. Dabei handelt es sich um die Einberufung einer Bürger*innenversammlung, welche sich aus normalen Bürger*innen zusammensetzt und von Expert*innen beraten wird.
Wir wollen das die Bürger*innen mehr an demokratischen Verfahren beteiligt werden und Entscheidungen mitprägen. So wie es dem Grundverständnis von Demokratie innewohnt.
Die Regierung allein bildet nicht die Demokratie, denn diese ist als ein Konstrukt, ein Dazwischen, ein Vertrag zwischen den Regierenden und Regierten zu verstehen. Das Herz eine Demokratie sind also die Bürger*innen, die in ihr leben.
Die Europäische Union hat vor nicht allzu langer Zeit mehr oder weniger symbolisch den Klimanotstand ausgerufen. Welche politischen Maßnahmen sollten eurer Meinung nach nun folgen?
Tino: Ich denke es ist wichtig, dass die EU sich darauf konzentriert eine echte europäische Demokratie zu fördern, dies ist Voraussetzung für ihr Funktionieren. Das was die EU bisher ausmacht, ist eine Vereinigung von Staaten, die mehrheitlich wirtschaftliche Interessen teilen und entsprechend steht es auch um sie. Sie ist brüchig, da sie in weiten Teilen unaufrichtig ist. Denn auch auf der Ebene Europas geben Konzerne und Lobbys den Ton an. Was in weiten Teilen bedeutet, dass nur wenige etwas vom Kuchen abbekommen und, allem voran, die Menschen im globalen Süden weiterhin rücksichtslos ausgebeutet werden. Die EU lässt sich also als imperialer Staat verstehen, der die Klimaungerechtigkeit nicht nur mitverantwortet, sondern entscheidend fördert und verursacht.
Mit Klimaschutz ist da noch nicht viel passiert. Doch gibt es zunehmen lauter werdende Stimmen, in der EU und von außen, dass das europäische Parlament nun endlich Verantwortung übernehmen muss. Ein Zusammenschluss der Extinction Rebellion in den europäischen Ländern wird im Juni 2020 für friedliche Proteste nach Brüssel mobilisieren, um dieser Notwendigkeit Nachdruck zu verleihen. Der sogenannte „Green Deal“ (ein Konzept, das Schritte beinhaltet, wie wir die drohende Klimakatastrophe noch abwenden können) muss nun endlich kommen und aufrichtige Lösungen enthalten. Wir brauchen einen europäischen “Green New Deal” der aufrichtig ist und wirkliche Veränderungen bringt.
Gefühlt oder vielleicht sogar tatsächlich rissen im Jahr 2019 die negativen Schlagzeilen nicht ab: Dürre-Sommer in Deutschland, der Amazonas Regenwald brennt, unkontrollierte Brände in Australien. An welchen Punkt müssen wir kommen, bis die Menschen verstehen, wie ernst die Lage ist?
Tino: Diese Frage erzeugt eine
mulmiges Gefühle in mir. Wir können stark davon ausgehen, dass es tatsächlich
so ist, dass mehr und mehr Schreckensnachrichten über Naturkatastrophen zu uns
gelangen. Denn die Häufigkeit und die Schwere von Waldbränden, Hochwassern,
Unwettern, Dürren und Ernteausfällen ist merklich gestiegen und das weltweit.
Dies steht deutlich in allen drei Berichten des Weltklimarats aus den Jahren
2018 und 2019.
Die Problematiken sind uns schon
seit über 30 Jahren bekannt. Die bisherigen Proteste, so aufrichtig sie auch
waren, haben keine grundlegenden Veränderungen bewirken können.
Wir müssen standhaft bleiben und
weiterhin aufklären. Dies geschieht bei XR durch Informationsveranstaltungen
und -kampagnen und insbesondere durch gewaltfreien zivilen Ungehorsam. Menschen
versperren durch Sitzblockaden Straßen oder Eingänge von Regierungsgebäuden
oder Konzernen. Wichtig dabei sind die Erzählungen, die die Menschen mitbringen
– z.B. Schilder, Banner, Reden oder künstlerische Aktionen und Installationen.
Einige gehen noch ein Stück weiter und kleben oder ketten sich an Gebäuden oder
Gegenständen fest. Dies ist sicherlich für einige irritierend, es erhöht die
Aufmerksamkeit jedoch um ein Vielfaches. Wichtig ist, dass stets alles
friedlich bleibt und kein Mensch zu Schaden kommt, ob Passant*innen,
Aktivist*innen oder Polizist*innen.
Tatsächlich stelle ich mir aber
die Frage, was noch passieren muss, bis der Großteil der Gesellschaft endlich
aufwacht und versteht, was da auf uns zu kommt.
Zahlreiche Ökosysteme stehen vor
dem Kollaps (Bspw. 90% der weltweiten Korallenriffe sind bereits verloren), das
6. Massensterben der Tier und Pflanzenarten ist bereits voll im Gange (das
größte Massensterben seit dem Aussterben der Dinosaurier), Kipppunkte scheinen
bereits erreicht (Bspw. der Regenwald in Südamerika steht kurz davor, so weit
zerstört zu sein, dass er sich selbst nicht mehr aufrechterhalten kann).
Vielleicht werden wir erst konsequent
umsteuern, wenn es durch die drohende Klimakatastrophe zu einschneidenden
Veränderungen auch hier in Deutschland kommt.
Ich hoffe jedoch sehr, dass wir
vorher aktiv werden und klar wird, dass ein Wirtschaftssystem, das auf endlosen
Wachstum, Naturzerstörung und Menschenrechtsverletzungen basiert, keine Zukunft
hat bzw. gerade dabei ist, unsere Zukunft unwiederbringlich zu zerstören.
Wir alle sind Teil dieses
toxischen Systems und tragen ein Stück weit Verantwortung für diese
Problematik. Wir können uns zwar nicht in allen, aber dennoch in vielen
Angelegenheiten dazu entscheiden, Dinge zu ändern oder uns ihnen zu
verweigern. Dafür müssen wir uns auch darüber klar werden, was der
Unterschied zwischen „haben wollen“ und „brauchen“ ist.
Doch darf dies nicht davon ablenken, dass das grundlegende Problem darin liegt, wie unser Wirtschaftssystem funktioniert. Es entfernt uns mehr und mehr von der Natur, während es sie unwiederbringlich zerstört
Kritiker sagen, dass durch den zivilen Ungehorsam, z.B. dem Blockieren von Straßen, der Umwelt nicht geholfen werde. Extinction Rebellion verfolge zwar gute Ziele, verwende aber die falschen Mittel. Wird der Pendler, der wegen einer Blockade drei Stunden im Stau steckt, wirklich zum Umdenken gebracht oder wird er nicht eher verärgert sein und damit die Klimadebatte polarisiert?
Ina: Gewiss sind viele der Autofahrer*innen verärgert und verstehen zuerst nicht, weshalb wir ihren Alltag stören. Gewaltfreier ziviler Ungehorsam als Straßenblockade unterbricht unsere oft betäubende Alltagsroutine, indem es den regelmäßigen Ablauf stört, zugleich aber auch neue Wege aufzeigt. Unsere Blockaden sind dabei als Metapher für den derzeitigen Umgang mit dem Thema Klimaschutz zu verstehen: So kann es nicht weitergehen. Viele Menschen – wovon die meisten auch Autofahrer*innen sind – wünschen sich bereits diese Veränderung: eine höhere Priorisierung von Klimaschutz, auch wenn sie ein Auto fahren. Wir erfahren daher auch von Autofahrer*innen immer wieder Erleichterung, dass wir für diese Veränderung zu mehr Klimaschutz einstehen.
Die Rhetorik und die Zukunftsszenarien von Extinction Rebellion sind sehr drastisch und machen einigen Leuten auch Angst. Ist Angst der Faktor, der Leute dazu bewegt etwas zu verändern oder kann auch Angst auch lähmen, blockieren und eine Abwehrhaltung erzeugen?
Ina: Die Bilder die XR konstruiert sind letztlich Interpretationen der klimawissenschaftlichen Fakten. Diese Fakten können Angst machen. Ein zentraler Teil unseres Selbstverständnis ist auch, dass wir diese Informationen für alle zugänglich machen wollen. Bilder, Graphiken und Metaphern sind verschiedene Wege unterschiedliche Menschen zu erreichen. Auch für uns ist es immer wieder schwer positiv zu bleiben, wenn wir uns mit diesen wissenschaftlichen Berichten auseinander setzen. Daher haben wir Strukturen und Ansätze, wie wir unsere hoffnungsvolle Haltung aufrechterhalten. Ein Beispiel dafür ist unsere Arbeitsgruppe Regenerative Kultur, die sich damit beschäftigt, wie wir all diese Informationen gut verarbeiten können. Sie schafft Räume, in denen wir gemeinsam Wege erarbeiten und lernen mit Angst oder anderen aufkommenden Gefühlen umzugehen.
Extinction Rebellion wird häufig auch als die erwachsene Variante von Fridays for Future angesehen. Worin unterscheiden sich diese beiden Gruppierungen? Kann man auch gegenseitig voneinander profitieren?
Ina: Für mich ist Extinction Rebellion nicht mehr und nicht weniger als eine Bewegung innerhalb des großen Kontextes aller anderen Klimabewegungen. Es gibt wahnsinnig viele Überschneidungen zwischen FFF und XR, weshalb sich meiner Meinung nach nicht nur diese zwei, sondern fast alle Klimabewegungen ergänzen. Als Ausnahme möchte ich hier rechte Gruppierungen nennen, die sich ebenfalls dem Klimaschutz zuwenden, aber z.B. Gerechtigkeit zwischen allen Menschen (also auch z.B. Menschen aus dem globalen Süden) nicht als ihren Wert definieren, sondern Vorteile für bestimmte Menschen fordern. Eine ganz konkrete Gemeinsamkeit von FFF und XR ist die Ähnlichkeit der Protestform, weil Schulstreik auch ziviler Ungehorsam ist. Da die meisten Erwachsenen jedoch nicht die Möglichkeit haben der Schule fern zu bleiben, es sei denn sie sind Lehrer*innen, brauchen auch diese Menschen eine Protestform, die für sie glaubhaft und somit wirkungsvoll ist. Daher entstehen bei uns ständig neue Akzente im zivilen Ungehorsam, die für die unterschiedlichen Menschen bei XR stimmig und effektiv sind. Ein Beispiele wäre z.B. der XR Chor, der sich aus Laien und professionellen Sänger*innen zusammensetzt und auf öffentlichen Plätzen bekannte Lieder mit neuem Text in Bezug aufs Klima singt. Wenn du eine Idee hast und diese innerhalb des Rahmens der 10 Prinzipien von XR stattfindet, dann leg los und sei ein Teil der Bewegung:) Die Bewegung ist das, was wir draus machen. 😉
Die Medien bezeichnen Extinction Rebellion auch schon mal als „Klima-Krawallos“ oder „Öko-Extremisten“. Wie empfindet ihr so eine Bezeichnung und was unternehmt ihr, um Euch von tatsächlich gewaltbereiten und extremistischen Personen zu distanzieren?
Tino: Zuerst müssen wir darauf schauen, welche Medien solche Behaupten aufstellen. In der Regel sind das Medien wie die BILD oder auch die FAZ. Insbesondere der BILD, wie hoffentlich mittlerweile die meisten wissen, sollte kritisch begegnet werden. Als seriöse Zeitung gilt diese für mich nicht. Aber auch von rechts kommen hin und wieder solche Unterstellungen. In deren Augen sind auch die FFF‘s radikale Schulschwänzer*innen.
Extinction Rebellion hat 10 Prinzipien. Wer diese vertritt, kann Teil der Bewegung sein. Eines davon besagt, dass wir eine gewaltfreies Netzwerk sind. Jegliche Form der Gewalt führt also zum Ausschluss.
Darüber hinaus distanziert sich XR klar von rechten Gesinnungen, welche nach dem 6. Prinzip nicht Teil der Bewegung sein können. Dort heißt es: Jede/r ist so willkommen, wie sie/er ist. Menschen oder Gruppen mit diskriminierenden Einstellungen stoßen sich folglich an diesem Prinzip, da die meisten Inhalte von Diskriminierungen darauf abzielen, das ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen aufgrund (zugeschriebener) Eigenschaften, einer Sache nicht würdig ist oder diese ihnen nicht zu steht. Das bedeutet für mich im Umkehrschluss; wer andere ausschließt, schließt sich selber aus.
In diesem Zusammenhang stand auch der bereits genannte Gründer von Extinction Rebellion, Roger Hallam, in der Kritik, weil er den Holocaust relativierende Äußerungen von sich gegeben hat. Wie sehr haben diese Äußerungen Extinction Rebellion geschadet und wie steht Extinction Rebellion-Deutschland zu diesen Äußerungen?
Tino + Ina: Die Äußerungen haben für viele Diskussionen gesorgt. Die unfassbar schrecklichen Taten der Nazis im Zweiten Weltkrieg sollte niemand dazu verwenden, um auf eine andere Sache aufmerksam zu machen. Das ist unsensibel und kann folgenreich sein, da Menschen mit rechten Gesinnungen solche Äußerungen für ihre Zwecke missbrauchen können. Nach wie vor distanzieren wir uns als Bewegung von diesen Aussagen.
Diese Äußerungen haben tatsächlich eine turbulente Zeit in den letzten sechs Wochen des Jahres 2019 ausgelöst. Es wurde viel darüber geredet und geschrieben, auch über unsere Werte und unser Selbstverständnis. Es ist schön zu sehen, wie uns diese Diskussion hilft, unsere Werte klarer zu definieren und auch in unseren Handlungen sichtbar zu machen, was dann zu dieser Distanzierung geführt hat. Wir sind jedoch überzeugt, dass die Werte Wertschätzung und Gerechtigkeit in XR weiter gestärkt und von den Menschen getragen werden und Extinction Rebellion weiter wachsen wird. Bereits jetzt sind so viele wunderbare Menschen, von jung bis alt, in der Bewegung und wir werden täglich mehr und mehr.
Gibt es den typischen Extinction Rebellion Teilnehmer? Welche gesellschaftlichen Gruppen sind bei Euch besonders stark vertreten?
Ina: Durch die Dezentralität in der Struktur ist XR sehr facettenreich, genauso facettenreich wie die Menschen, die sich vor Ort organisieren. Für viele ist es schwer zu greifen, wie sich eine dezentrale bzw. eine Grasroots Bewegung entwickelt. Jede*r kann sich bei XR organisieren, wenn die Aktionen im Rahmen der 10 Prinzipien von XR anzuordnen sind. Was immer du auch schon mal für eine Aktion zum Klimawandel machen wolltest, es könnte auch dich zu einem Teil von XR werden lassen. 😉
Mich beeindruckt, dass es bei XR einen sehr hohen Anteil an Menschen gibt, die durch ihr Engagement bei XR das erste Mal politisch aktiv werden (laut einer internen Umfrage sind es 37%). Für mich wird da deutlich, dass das allgemeine gesellschaftliche Bewusstsein für klimarelevante Themen steigt. Sicherlich gibt es auch hier gewisse Verteilungen, welche Menschen das zuerst erreicht. Faktoren sind da die persönlich verfügbaren Ressourcen, wie z.B. Zeit, Unterstützung des Umfeldes oder auch einfach die Möglichkeit an Informationen zu kommen. Wenn jemand nun den ganzen Tag arbeiten muss, in einem Umfeld, dass sich eher kritisch dem Klimaschutz gegenüber positioniert, hat dieser Mensch es natürlich schwerer sich zu engagieren. Toll ist aber immer wieder zu bemerken, dass viele Menschen trotz begrenzter Möglichkeiten Wege finden wie sie sich persönlich engagieren können, und sei es nur durch ein paar Gespräche in der Teeküche auf der Arbeit, das zu Verfügung stellen von Räumen oder Eltern, die Gesprächskreise zu Klimathemen nachmittags in der Kita organisieren.
Die Klimakonferenz von Madrid ist im letzten Dezember ohne einen großen Durchbruch zu Ende gegangen. Trotz der zahlreichen Protestaktionen in diesem Jahr, sind viele von den Ergebnissen frustriert.
Wie groß ist euer Vertrauen darin, dass es doch noch auf der Ebene der Vereinten Nationen zu wirklich nützlichen Ergebnissen kommen kann? Und wenn diese Ergebnisse bei der UN nicht kommen, wer könnte dann noch etwas bewegen?
Tino: Es ist irritierend, das der
UN-Generalsekretär vor der COP25 in Madrid eine sehr emotionale und ebenso
rationale Rede hält und die Ergebnisse dennoch so unterirdisch ausfielen.
Antònio Guterres warnte vor einer 3°C-Welt, in der es sehr sehr ungemütlich
werden wird, Milliarden Menschen in Gefahr geraten und ihre Lebensgrundlagen
verlieren können.
Doch zahlreiche Staaten zeigten
sich davon unberührt. Viele Entscheidungen wurden auf die nächste COP26 in
Glasgow verschoben. Der Profit steht noch immer vor dem Erhalt unserer
Lebensgrundlagen. Wir entfernen uns im Moment mehr vom Klimaschutz, als das wir
uns ihm nähern.
Die nächste COP26 wird im
November 2020 stattfinden und wohl die letzte Chance bieten, wirklich noch
umzusteuern und das Schlimmste zu verhindern. Auch dort wird Extinction
Rebellion protestieren.
Ich denke, mehr und mehr
Politiker*innen, Lobbyist*innen und Konzerne müssen sich nun ihrer
Verantwortung stellen um das Ruder noch herumzureißen.
Eine echte Demokratie muss entstehen
und während sie entsteht, ist es notwendig, dass die Klimafrage – die auch
immer eine soziale Frage ist – bearbeitet wird. Schon jetzt sterben täglich
zehntausende Menschen durch Klimafolgen und der Zustand der Natur in
Deutschland verschlechtert sich immer schneller (bspw. nur noch 10% der Wälder
in Deutschland sind gesund).
Ein gute Demokratie bezieht ihre
Bürger*innen mit ein, hört sie an und respektiert ihre Entscheidungen. Ein gute
Demokratie ist aber auch eine Demokratie, die nach Außen schaut und dafür
sorgt, dass es allen Menschen auf der Erde gut geht.